Die Uhren sind auf Winterzeit umgestellt, Allerheiligen ist gerade überstanden und nun? Trübsal kann im November schon sein, muss aber nicht, wollen uns die Kinostarts der Woche sagen. Das Trennungsdrama „Die Ökonomie der Liebe“ gehört eher zur Fraktion der Trübsalblaser. Es führt in quälendem Realismus vor, warum ein Ehepaar, das seine Beziehung demontiert, für die Umgebung höchst enervierend ist. Um Trauer geht es in dem schönen französischen Film „Dieses Sommergefühl“, aber zugleich auch um das Leben, in einer erstaunlich luftig-leichten Kombination. Das Biopic „Die Tänzerin“ führt in optischer Opulenz vor, wie die Kunst die Schwerkraft besiegt. Aus der Abteilung Schmunzelkomödien sticht der deutsche Beitrag „Willkommen bei den Hartmanns“ heraus, über einen nigerianischen Flüchtling, der bei einem Münchner Chefarzt und seiner Familie wohnen darf.
Die Tänzerin
Regie: Stéphanie Di Giusto, Verleih: Prokino/24 Bilder
Loïe Fuller (Soko) wächst im ausgehenden 19. Jahrhundert in Amerika als Tochter eines Goldsuchers und Rodeoreiters auf. Sie träumt von einer Schauspielkarriere und zieht zu ihrer Mutter nach New York. Aber weil es mit den Sprechrollen nicht klappt, verlagert sie sich auf eine Performance mit wehenden Gewändern. Jemand empfiehlt ihr den Umzug nach Paris, wo die Bedingungen für moderne Künstler viel besser sein sollen. Loïe Fuller schafft es tatsächlich auf die Bühne des berühmten Pariser Variététheaters Folies Bergère – ein Riesenschritt für ein amerikanisches Provinzmädchen ohne tänzerische Ausbildung. Dort entwickelt sie ihren Schleiertanz unermüdlich weiter. In ihren gefeierten Bühnenshows lässt sie innovative Lichttechnik einsetzen.
Die französische Regisseurin Stéphanie Di Giusto hat Loïe Fuller, der Wegbereiterin des Modern Dance, ein wunderbares filmisches Denkmal geschaffen. Der Spielfilm hält sich nicht sklavisch an die Fakten der realen Biografie, fängt aber sehr stimmig und bewegend die künstlerische Leidenschaft ein, die diese Avantgarde-Performerin beflügelt hat. Die Magie ihrer Tänze, das harte Training, die visionäre Arbeit mit Licht beeindrucken. Nicht minder spannend gestaltet sich das private Geflecht der Leidenschaften, zu dem Fullers unglückliche Liebe zu Isadora Duncan (Lily-Rose Depp) gehört.
Willkommen bei den Hartmanns
Regie: Simon Verhoeven, Verleih: Warner Bros.
Der Chefarztgattin und ehemaligen Deutschlehrerin Angelika Hartmann (Senta Berger) fällt in ihrer Villa die Decke auf den Kopf, seit die Kinder aus dem Haus sind. Ihr Mann Richard (Heiner Lauterbach) wehrt sich gegen das Altwerden und hält sich in der Klinik für unentbehrlich. Angelika findet, dass das Haus groß genug ist, um einen der vielen Flüchtlinge zu beherbergen, die sich in einer Münchner Asylbewerberunterkunft drängen. Richard sieht mit gemischten Gefühlen, wie der Nigerianer Diallo (Eric Kabongo) bei ihnen einzieht. Der Familienanschluss erleichtert Diallo nicht nur das Deutschlernen, sondern zeigt ihm auch, wie die komplizierten Deutschen so ticken. Die Ehekrise von Angelika und Richard, die Probleme der ewigen Studentin Sophie (Palina Rojinski), das Videoprojekt des aufgeweckten Enkels – überall ist Diallos pragmatische Assistenz gefragt.
Regisseur Simon Verhoeven ist eine überraschend pointenreiche Komödie zum aktuellen und kontroversen Flüchtlingsthema gelungen. Wie die Menschen in Deutschland darüber wirklich denken, wie sie zwischen Willkommenskultur und Ängsten oder Vorurteilen hin- und hergerissen sind, kommt in den witzigen Dialogen sehr stimmig zum Vorschein. Das Ensemblespiel der zum Teil renommierten Darsteller, der bunte Strauß von Wohlstandsproblemen gemischt mit Culture Clash sorgen für eine vergnügliche, aber keineswegs dumme Schmunzelkomödie.
Dieses Sommergefühl
Regie: Mikhaël Hers, Verleih: Rendezvous Filmverleih
Der junge Amerikaner Lawrence (Anders Danielsen Lie) lebt mit seiner französischen Freundin Sasha in Berlin. Wie aus heiterem Himmel kippt die junge Frau an einem Sommertag um und stirbt kurze Zeit später. Lawrence ist ebenso fassungslos wie Sashas Eltern und ihre Schwester Zoé (Judith Chemla), die nach Berlin gekommen sind. Lawrence und Zoé lernen sich ein wenig näher kennen, sie fühlen sich in der Trauer vereint. Im nächsten Sommer besucht Lawrence Zoé in Paris. Das Wiedersehen spendet ihnen erneut Trost, denn beide stecken noch ziemlich tief in der Trauer fest. Einen Sommer später besucht Zoé Lawrence, der inzwischen in New York lebt. Ob die beiden jetzt wieder nach vorne schauen können?
Der französische Regisseur Mikhaël Hers überrascht mit diesem verhaltenen Drama, in dem die Gefühle gar nicht ausgesprochen werden müssen. Sie liegen förmlich in der Luft, in diesen Aufnahmen aus drei Sommern in der Stadt. Wie im richtigen Leben liegt den Menschen hier das Herz nicht auf der Zunge. Die Konversationen bleiben locker, der Ton leicht und flüchtig. Aber man sieht Lawrence und Zoé auf den Straßen, in den Parks flanieren und weiß, wie es ihnen geht. Ein wunderbarer Film über das Wesen der Trauer, der selbst alles andere als nur traurig ist.
Bianka Piringer
Fotoquelle(n): Prokino, Warner Bros., Rendezvous Filmverleih