Rein zahlenmäßig sind die Kinostarts dieser Woche gut bestückt, allerdings befinden sich darunter etliche eher mittelmäßige Filme. Wenn beispielsweise „Mord im Orient Express“ und “Suburbicon“ in eine andere Ära eintauchen, bleibt fraglich, ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat.
Im Übrigen beginnt jetzt die Zeit der Weihnachtsfilme. In dieser Woche gibt es für die Kleinen „Hexe Lilli rettet Weihnachten“. Für die Mütter, die schon mit Schrecken an den Vorbereitungsstress, das Schmücken, Backen und die feierlichen Pflichttermine im Advent denken, ist die launige Komödie „Bad Moms 2“ gedacht.
Im Programm zu finden sind auch etliche kleinere Filme. Das deutsche Brüderdrama „Simpel“ mit Frederick Lau und David Kross will das Gemüt ansprechen, allerdings auf ziemlich einfältige Art. Regelrecht exotisch wirkt im Vergleich dazu „Die Liebhaberin“. Darin geht es um ein Hausmädchen in der Region Buenos Aires, das zwischen der kalten Welt der Reichen und einem sinnesfrohen Nudistencamp in der Nachbarschaft hin- und herpendelt. In dem französischen Drama „Die Welt sehen“ machen Soldaten und Soldatinnen, die traumatisiert aus dem Afghanistan-Einsatz zurückkehren, einen dreitägigen therapeutischen Erholungsurlaub auf Zypern.
Suburbicon
Regie: George Clooney, Verleih: Concorde
Suburbicon ist in den 1950er Jahren eine dieser neuen Vorstadtsiedlungen, die die amerikanische Mittelschicht magisch anziehen. Aber darin haben Afroamerikaner nach Meinung der weißen Nachbarn keinen Platz. Das bekommt die erste schwarze Familie drastisch zu spüren, die sich dort ein Haus kauft. Tagein tagaus belagert der Mob ihr Anwesen und terrorisiert sie mit Lärm. Die Leute glauben, dass mit den Schwarzen die Kriminalität nach Suburbicon einzieht, doch die haust schon, von allen unbemerkt, gleich nebenan bei den Lodges. Familienvater Gardner (Matt Damon) hat einen fingierten Einbruch stattfinden lassen, bei dem seine Frau wie bestellt umgebracht wurde. Nun zieht die Schwägerin Margaret (Julianne Moore) ins Haus. Doch der Versicherungsbetrug führt zu Komplikationen.
An diesem grimmig-satirischen Film, der die Heile-Welt-Fassade der Vorstadt aus den fünfziger Jahren demontiert, ist vor allem ihre Entstehungsgeschichte interessant. Clooney nahm sich eines alten Drehbuchs der Brüder Joel und Ethan Coen an, welches das mörderische Treiben bei den Lodges aufrollt. Diesem Strang fügte er, quasi als Nebenhandlung, die rassistischen Ausschreitungen gegen die afroamerikanische Familie in der Siedlung hinzu. Und dieser Plot beruht auf wahren Ereignissen, die nicht viel anders 1957 in Levittown, Pennsylvania, geschahen. Diese Doppelnatur des Films ist zwar interessant, aber auch sein größtes Problem, denn die beiden Stränge finden nie richtig zusammen und wirken aus heutiger Sicht auch falsch gewichtet.
Bad Moms 2
Regie: Jon Lucas, Scott Moore, Verleih: Tobis Film
Die alleinerziehende Mutter Amy (Mila Kunis) möchte ein schönes Weihnachten mit ihren Kindern verbringen, aber möglichst ohne Stress. Daraus wird nichts, denn ihre Mutter Ruth (Christine Baranski) rauscht wenige Tage vor dem Fest uneingeladen herein und übernimmt die Planung. Sie hat ein grandioses Glitzer-Spektakel im Sinn und für die Tochter nur Missbilligung übrig. Auch Amys Freundinnen Kiki (Kristen Bell) und Carla (Kathryn Hahn) bekommen Besuch von ihren anstrengenden Müttern (Cheryl Hines, Susan Sarandon). Amy, Kiki und Carla wollen sich aber nicht an die Wand spielen lassen und so steht an Weihnachten Zoff auf dem Programm.
Es gibt ein vergnügliches Wiedersehen mit den Freundinnen aus der unkorrekten Komödie „Bad Moms“ von 2016. Auch diesmal haben sie es satt, sich den überzogenen Rollenerwartungen an eine gute Mutter zu beugen. Doch ihre eigenen Mütter fordern an Weihnachten Liebe und Beachtung ein und sind zu Kompromissen nicht wirklich bereit. Die Komödie ist schön deftig und nimmt sich den Dekowahn und Konsumterror zum Fest genüsslich vor. Aber dann macht sie eine erstaunliche Kehrtwendung ins Versöhnliche – es gibt ja doch nichts Schlimmeres, als ein unglückliches Weihnachten.
Die Welt sehen
Regie: Delphine Coulin, Muriel Coulin, Verleih: Peripher
Bevor es zurück nach Frankreich geht, macht eine Gruppe von Soldaten und Soldatinnen, die in Afghanistan waren, drei Tage Pause in einem Urlaubsresort auf Zypern. Das vom Militär verordnete und geleitete Programm heißt Dekompression. Es geht nicht nur um Erholung, sondern auch ums individuelle Erinnern an die schlimmsten Erlebnisse im Krieg, vor der ganzen Gruppe. Aurore (Ariane Labed) macht mit, aber ihre Freundin Marine (Soko) ist schwer traumatisiert und verweigert sich der Aufarbeitung. Und auch mehrere männliche Soldaten tun so, als sei mit ihnen alles in Ordnung. Aber die Stimmung ist explosiv und in der Gruppe eskalieren die Konflikte aus geringem Anlass.
Die Schwestern Delphine und Muriel Coulin thematisieren in diesem sehr realitätsnahen Drama das oft missachtete Problem der Kriegstraumatisierung. Eine psychologische Aufarbeitung, wie sie hier gezeigt wird, findet nach Kriegseinsätzen bereits in einigen Armeen statt. Aber der Blick der Regisseurinnen bleibt kritisch, denn die seelischen Wunden heilen nicht in drei Tagen. Ins Zentrum dieses Films rückt schnell das prekäre Verhältnis, das die Soldaten zu den Frauen in der Truppe haben. Marine und Aurore wirken wie Außenseiter, die sich aneinander festhalten in einer Umgebung, in der vermeintliche oder tatsächliche Gefahren lauern.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Concorde Filmverleih, Tobis Film, Peripher Filmverleih