Für Batman-Fans waren die letzten Jahre spielerisch gesehen überaus erfreulich. Die grandiose Arkham-Reihe wurde innerhalb kürzester Zeit zu dem Aushängeschild für gelungene Lizenzspiele. Nachdem diese letztes Jahr abgeschlossen wurde, ließ die Ankündigung eines neuen Batman-Spiels nicht lange auf sich warten. Telltale Games, bekannt für The Walking Dead und The Wolf Among Us, versprachen ein Batman-Abenteuer der anderen Art. Diesmal sollten wir nicht nur in die düstere Rüstung der Fledermaus, sondern auch den feinen Anzug des Playboys Bruce Wayne schlüpfen dürfen. Wir haben uns mit der ersten Episode in die Bathöhle zurückgezogen und uns davon überzeugt, ob man dem Helden gerecht werden kann.
The Good, the Bat and the Ugly
Batman führt uns in ein Gotham, das sich im Umbruch befindet. Der langjährige Bürgermeister Hill, der viel korrupter nicht sein könnte, befindet sich im Wahlkampf gegen den Staatsanwalt Harvey Dent, der von Bruce Wayne aufgrund unseres Verhaltens als Spieler mal besser, mal schlechter unterstützt wird. Auch Carmine Falcone, der einflussreiche Gangsterboss, hat bei diesem Machtkampf die Finger im Spiel. Ob es Zufall sein kann, dass zur gleichen Zeit die mysteriöse Catwoman in der Stadt auftaucht und versucht, etwas aus dem Rathaus zu entwenden? Spätestens als dann auch noch der alte Kindheitsfreund von Bruce, Oswald Cobblepot, in Gotham City auftaucht, drängt sich der Verdacht auf, dass in dieser Stadt Großes vor sich geht.
Die Handlung an sich ist, wenn auch spannend, bislang nichts Bahnbrechendes. Es gibt einen vergleichsweise klassischen Einbruch, Überfälle auf Lagerhäuser, politische Zwischenspiele wie Pressemitteilungen an Reporter und Ähnliches. Und dennoch sticht dieses Batman-Game aus dem Franchise hervor: Durch die Interaktion mit Personen, von denen man als Spieler ganz genau weiß, dass sie das Potential haben, Superschurken und damit mächtige Feinde zu werden. Werden wir es letztendlich selbst sein, die Two-Face erschaffen? Den Pinguin? Wie weit können wir gehen, ohne Inspector Gordons Vertrauen zu verlieren? Das sind Spannungen und Gefühle, die andere Medien in der Form niemals werden erzeugen können.
Bin ich die Nacht?
Andererseits kommt dafür das Gefühl, Batman zu sein, in den Kampfszenen deutlich kürzer. Befindet sich der Fledermausmann im Kampf, läuft im Prinzip eine Cutscene. In dieser müssen wir dann Quicktime-Events bewältigen, also innerhalb einer bestimmten Zeit die auf dem Bildschirm angezeigte Taste drücken. In einigen Szenen füllt sich mit jedem erfolgreichen Treffer ein kleines Bat-Symbol. Sobald diese Anzeige voll ist, können wir einen finalen Angriff starten. Allerdings erst, sobald wir vom Spiel dazu aufgefordert werden.
Es gibt im Laufe der ersten Episode zwar eine sehr spaßige Szene, in der man vor dem Durchführen des Angriffs diesen plant und dabei selbst entscheiden kann, auf welche Art man welchen Gegner unschädlich macht. Warum das aber nicht generell oder zumindest häufiger wie in The Wold Among Us möglich ist, erschließt sich mir nicht.
Der beste Detektiv der Welt und seine Helferschar
Ähnlich oberflächlich bleiben die Detektiveinlagen, von denen es in der ersten Episode nur eine gibt. Dabei untersucht man als Batman einen Tatort nach Hinweisen, die anschließend sinnvoll miteinander verbunden werden müssen, um den Tathergang zu ermitteln. Das ist zwar spannend und wird toll in Szene gesetzt, allerdings ist es nicht möglich, einen Fehler zu begehen. Verknüpfen wir zwei Hinweise falsch, zieht Batman die Möglichkeit kurz in Erwägung und lehnt die Theorie dann ab. Hier wäre interessant gewesen, zu sehen, wie die Handlung weiter verläuft, wenn dem größten Detektiv der Welt doch mal ein Fehler unterläuft.
Schleicheinlagen wie in den Arkham-Spielen gibt es keine. Dafür gibt es eine interessante Neuerung: das Crowd Play. Optional können sich Zuschauer im Wohnzimmer per Smartphone ebenfalls mit dem Spiel verbinden und ihre bevorzugten Entscheidungen auswählen. Der aktive Spieler kann sich dann entweder die Wahlergebnisse angucken und daraufhin selbst entscheiden, oder automatisch die von seinen Gästen durchschnittlich meistgewählte Option vom Spiel wählen lassen. Meiner Meinung nach ist das ein witzigies Feature, das sicherlich der ein oder andere Spieler mit seinen Freunden nutzen wird.
Optik und Performance
Wie auf den Screenshots natürlich schon zu sehen ist, wird auch dieses Telltale-Spiel im Comicstil präsentiert. Das Wort “Comic” ist hier mit Bedacht gewählt, denn mit der bekannten Batman: The Animated Series oder auch dem Batman of the Future hat das Spiel keine Ähnlichkeit. Dafür orientiert man sich mehr am Batman der 80er Jahre und fügt dem eine Prise des Telltale-eigenen Zeichenstils hinzu. Hintergründe, sowohl innerhalb von Gebäuden als auch außerhalb, lassen insgesamt an Details zu wünschen übrig und sehen mitunter recht karg aus. Das tut dem Spiel meiner persönlichen Meinung nach keinen Abbruch und der Fairness halber muss man sagen, dass das bei den TV-Serien auch nie anders war.
Allerdings erwarte ich gerade bei grafisch vergleichsweise unspektakulären Spielen, dass sie geschmeidig laufen. Das ist hier definitiv nicht der Fall. Obwohl Batman angeblich auf einer neuen Engine läuft, kann ich weder optisch große Verbesserungen feststellen. Auch die deutlichen, schweren Ruckler, die zum Beispiel bei Szenenwechseln auftreten, wurden nicht behoben.
Sound
Ein weiterer Kritikpunkt, den sich Telltale-Spiele schon immer gefallen lassen mussten, ist das stellenweise erstaunlich schlechte Sounddesign. Zwar werden manche Schauplätze mit glaubhaften Hintergrundgeräuschen zum Leben erweckt. Auch auf Details wie verzerrte Stimmen wird geachtet, während hinter Schlägen, Schüssen und Explosionen ordentlich Wumms steckt. Dann gibt es aber Stellen, an denen plötzlich nur noch Musik und Stimmen zu hören sind, obwohl es genau da vor lauter Geräuschen geradezu wimmeln müsste. Das kann man vielleicht als gezielten Stil auslegen, in diesem Fall muss ich allerdings sagen, dass er der Spannung und dem Spielgefühl sehr schadet. Glücklicherweise bilden diese Stellen aber die seltene Ausnahme, nicht die Regel. Die Synchronisation ist hingegen durchgehend sehr gelungen. Insbesondere Troy Baker (The Last of Us, Persona 4) und Laura Bailey (inFamous, Skyrim) überzeugen als Batman und Catwoman.
Batman – The Telltale Series: Fazit
Alles in Einem bin ich mit der ersten Episode sehr zufrieden. Die genannten Kritikpunkte finde ich zwar ärgerlich. Allerdings hat mir die Umsetzung der Charaktere sehr gefallen. Ich bin neugierig, welche Folgen meine Entscheidungen im Laufe der nächsten Episoden nachsichziehen werden. Oder ob sie letztendlich – wie bei Game of Thrones – mehr oder weniger unerheblich für den Verlauf der Handlung sind.
Für sich genommen hat mich die Episode aber gut unterhalten und ist in meinen Augen ihren Preis wert. Die folgenden Episoden werde ich ebenfalls hier im AGM-Magazin für euch testen.
Infobox:
- Titel: Batman: The Telltale Series
- Publisher/Entwickler: Telltale Games
- Release: 02.08.2016
- Plattform: PC, Playstation, Xbox, Android, iOS, OS X (nur PS4 getestet)
- USK: 16
- Genre: Adventure
- Sprachausgabe: Audio Englisch, Text Deutsch
- Multiplayer: Ja (Crowd Play)
- Besonderheiten: Making Of Bonusmaterial (zum Zeitpunkt der Review noch nicht verfügbar)
Bildquelle(n): Telltale Games