Über ein Jahr nach dem Heimkino-Release in Japan und nicht mehr ganz pünktlich zur Oscar-Nominierung als bester Trickfilm 2015 erschien Erinnerungen an Marnie jüngst endlich auch in Deutschland auf BluRay und DVD. Hält der Film ein, was der Name Studio Ghibli verspricht?
Neue Perspektiven im Norden Japans
Als die zwölfjährige Anna einige Wochen auf dem Land verbringt, um ihr Asthma zu kurieren, freundet sie sich mit einem dort lebenden Mädchen Namens Marnie an.
Nachdem Anna ihre Jugend durch den frühen Tod ihrer Eltern sehr einsam und deprimiert verbracht hat, bringt Marnies Offenheit und Fröhlichkeit ihr langsam bei, ihr eigenes Leben wert zu schätzen. Doch auch Marnies Alltag ist nicht so perfekt wie er zunächst scheint…
Eine Geschichte, die an allen Ecken und Enden funktioniert
Basierend auf dem Buch “When Marnie Was There” von Joan G. Robinson scheint die Geschichte zunächst einfach gestrickt und das volle Bild breitet sich erst im Laufe des Filmes aus. Eine extrem wichtige Basis für jeden Film, aber speziell für Dramen wie dieses, sind die darin verstrickten Charaktere. Erinnerungen an Marnie hat einen überraschend breiten Cast an solchen, die alle essenzielle Rollen spielen, auch wenn Anna und Marnie selbstverständlich der Fokus des Geschehens sind. Jede Figur wird mit einer Detailverliebtheit charakterisiert, die selbst für Studio Ghibli bemerkenswert ist und es ermöglicht, dass die meisten Akteure je weniger als 10 Minuten des Filmes einnehmen und sich trotzdem extrem lebendig und individuell anfühlen.
Die Story selbst wird im Laufe des Filmes überraschend Komplex und hat einen Mystery-Aspekt, der das Erzähltempo davon abhält, zu langsam zu werden.
Erinnerungen an Marnie – Die andere Art von Ghibli-Film
Keine Frage: Erinnerungen an Marnie ist ein sehr ruhiger und bedachter Film, der keinesfalls versucht, die Bildgewalt der großen vergangen Titel wie Prinzessin Mononoke oder Chihiros Reise ins Zauberland einzufangen, sondern die sanftere Seite von Studio Ghibli zeigt, wie man sie aus Kikis kleiner Lieferservice oder Mein Nachbar Totoro kennt. Die Animations- und Bildqualität beeinflusst das aber nicht im Geringsten. Die Hintergrunde sind wie gewohnt wundervoll und die Animation auf jeden Frame perfektioniert. Erinnerungen an Marnie ist eine bisher letzte Erinnerung an die Größe von Studio Ghibli, bevor man sich letztes Jahr auf unbestimmte Zeit von Filmproduktionen zurückzog.
Ein rührendes Werk für den Japanophilen, aber auch jeden anderen Filmliebhaber
Die deutsche Synchronisation fällt wie üblich etwas instabiler aus als der Originalton und während sie allgemein gute Arbeit leisten, stolpern sich Hauptdarstellerinnen Laura Jenni und Lara Wurmer doch manchmal etwas ungeschickt durch essenzielle dramatische Szenen. In guter Ghibli-Manier hat man sich aber augenscheinlich mehr Mühe gegeben als beim nächsten 0815-Anime, die deutsche Version muss also nicht vermieden werden.
Schlussendlich ist Erinnerungen an Marnie ziemlich genau, was man vom Konzept erwarten würde: Schön, berührend und nuanciert – aber eventuell etwas zu ereignisarm für manche Zuschauer, gerade kleine Kinder.
Felix Thörl
Bildquelle(n): Universum Anime