„Die Idee zu The Walking Dead entstammt meiner Begeisterung für Zombiestreifen. Ich habe mir diese Filme damals reingezogen, als ob es kein Morgen gäbe, und ich wollte immer wissen, wie es eigentlich nach dem Ende des Films weitergeht. Also kam mir die Idee, einen Comic zu machen, der wie ein Zombiefilm sein würde – nur eben ohne jemals zu enden. Ich wollte die Zombie-Apokalypse erforschen, ohne mich dabei auf einen bestimmten Schluss festzulegen, und das bis zur letzten natürlichen Konsequenz durchziehen. Daraus entstand dann The Walking Dead.“ – Robert Kirkman (im Interview mit dem Cross Cult Verlag).
Ein Horror-Drama mit Charakter
THE WALKING DEAD (TWD) – das sind großartig erzählte Charaktere, Einblicke in tiefste Gefühlslagen und daraus entstehende Probleme innerhalb eines post-apokalyptischen sozialen Gefüges, das jenseits unserer modernen Zivilisation angesiedelt ist.
Ohne Regierungen und ausführende Gewalt, ohne Grundversorgung sowie ohne Elektrizität kämpfen Überlebende nach Ausbruch einer unbekannten Krankheit, die dafür sorgt, dass Menschen nach dem Tod als Zombies zurückkehren, ums nackte Überleben. Überlebensmotto rund um Hauptfigur und Gruppenanführer Rick Grimes lautet dabei stets „Kill the dead, fear the living“. Und genau das beschreibt das größte Problem dieser fiktiven Welt: Die Menschen, getrieben von purem Überlebenswillen und blind vor Hunger, Verzweiflung und der Angst vor dem Morgen, haben inzwischen jegliche ethischen und moralischen Werte abgelegt, was bei einigen fremden und teilweise auch der eigenen, bekannten Gruppe um Rick Grimes mal drastischer und mal harmloser erscheint.
THE WALKING DEAD erzählt die Geschichte des ehemaligen Kleinstadtpolizisten Rick Grimes aus Cynthiana, Kentucky, der sich mit seiner Familie – Sohn Carl und Ehefrau Lori – und weiteren Überlebenden der weltweiten Zombie-Apokalypse zu einer Gruppe zusammengeschlossen hat, um gemeinsam zu überleben. Dabei stehen nicht unbedingt die Walker (dt. Streuner) im Vordergrund der Narration, sondern vielmehr die Persönlichkeiten der bekannten Charaktere und wie diese sich im Laufe der fortschreitenden Geschichte immer mehr und dabei stetig verändern, ausgelöst durch die permanente Angst und den Stress, die die vorherrschende Welt auslösen.
An enormer Popularität gewann TWD schlussendlich durch die US-amerikanische Serienverfilmung. AMC strahlte zuletzt Episode 11 der 6. Staffel aus – die dritte Episode nach dem Midseason-Finale der Staffel. Als Grundlage der TV-Serie dienen natürlich Robert Kirkmans Comics, wobei eifrigen Fans der TV-Serie bei einem Blick in die Comics deutliche Unterschiede und auch viele Gemeinsamkeiten auffallen werden. Im Zuge dieser Artikel-Reihe wollen wir uns auf die Ursprünge der Serienverfilmung begeben und befassen uns mit den seit Ende 2015 erhältlichen Softcover Ausgaben des deutschen Comics vom Cross Cult Verlag, welche im Grunde Sammelbände sind, die jeweils sechs der originalen US-amerikanischen Ausgaben enthalten. Dabei handelt es sich ausschließlich um schwarz-weiß Zeichnungen. Betrachtet werden die Ausgaben mit dem Vorwissen der TV-Serie auf aktuellstem Stand, was notwendig ist, um interessante Unterschiede und Gemeinsamkeiten offenzulegen.
Speziell für alle, die sich erst jetzt oder allein durch die Serienverfilmung mit dem The Walking Dead – Virus infiziert haben, werden wir pro Artikel zwei Ausgaben betrachten und dabei auf Äußerlichkeiten, inhaltliche Übereinstimmung, Überschneidungen sowie Unterschiede eingehen, um einen Überblick über die Comics zu liefern.
Die TWD Streuner-Küche
Band 1: Gute alte Zeit
Alles begann vor der Apokalypse. So wie die TV-Serie einleitend darstellt, dass Rick Grimes kurz vor Ausbruch der Krankheit im gemeinsamen Dienst mit seinem Freund und Kollegen Shane Walsh angeschossen wird und daraufhin in ein mehrwöchiges Koma fällt. Als er im Harrison Memorial Krankenhaus zu Sinnen kommt, ist die Gesellschaft der USA bereits vollständig zusammengebrochen und er scheint der einzige lebendige Mensch im Gebäude zu sein. Wenig später werden die Charaktere Morgan Jones und sein Sohn Douane vorgestellt, mit demselben rabiaten Schaufelschlag auf Ricks Hinterkopf, wie er auch im Fernsehen zu sehen ist. Von ihnen erfährt Rick von den Zuständen und der kürzlichen Vergangenheit. Er beschließt in die Stadt Atlanta zu reisen, da sich dort ein militärisches Notlager befinden soll, nur um anschließend festzustellen, dass dieses bereits von Zombies überrannt wurde. Dort trifft Rick auf Glenn Rhee, mit welchem ihm die Flucht aus der Stadt gelingt und der ihn mit in sein Lager bringt, wo Rick schließlich auf seine Frau Lori und seinen Sohn Carl trifft. Auch Carol Peletier, ihre Tochter Sophia, Dale Horvath, Andrea und ihre Schwester Amy, Jim sowie das Ehepaar Allen und Donna befinden sich dort.
Ähnlich wie in der TV-Serie besteht seit der Ankunft von Rick im Lager eine fortwährend angespannte Stimmung zwischen ihm und Shane, weil dieser wenig erfreut über die Rückkehr seines Kollegen ist, da er kurz zuvor, in Unwissenheit über Ricks Überleben, ein Verhältnis mit seiner Frau Lori eingegangen ist. Auf einer späteren Erkundungstour treffen Rick und Glenn in Atlanta im Übrigen auf den verlassenen Panzer, den die Serienfans aus Episode 1 der ersten Staffel kennen. Jedoch spielt dieser hier keine weitere Rolle, da die beiden den danebenliegenden Waffenladen inspizieren wollen. Jim wird wenig später von einem Streuner gebissen, während er mit dem Rest das Lager gegen weitere Zombies verteidigte, wobei Amy gebissen wird und stirbt. Wie in der TV-Serie möchte Jim zurückgelassen werden, um sich verwandeln zu können, da er hofft, so wieder auf seine verstorbene Familie treffen zu können, ohne von ihnen zerfleischt zu werden. Anschließend bekundet Rick sein Unbehagen über den Lagerstandort und gerät dadurch in ein offenes Wortgefecht mit Shane, der die Lage nahe der Stadt für optimal hält, da er von der Hoffnung besessen ist, dass sich die gesamte Lage in kurzer Zeit normalisieren würde und das Lager dort vom Militär schnell entdeckt werden würde. Dieser Konflikt schaukelt sich derartig hoch, dass Shane den Verstand verliert und Rick mit seiner Waffe bedroht, um kurz darauf von Carl, seinen Vater beschützend, erschossen zu werden.
Bis auf die Tatsache, dass Shane nicht von Rick selber getötet wird, ist die Serie erstaunlich nah an Band 1. Es fällt auf, dass einige Handlungen, so auch Shanes Tod, zeitlich etwas früher geschehen und wenig von der TV-Fassung ausgelassen wurde. Carols Ehemann Ed existiert in der Comic-Handlung nicht und, nicht zu vergessen, die Dixons – Daryl und Merle – wurden einzig für die The Walking Dead Fernsehserie erschaffen und fehlen in den Comics komplett.
Was die Zeichnungen und die generelle Aufmachung betrifft, so muss einem klar werden, dass es sich bei The Walking Dead um Comics in Grautönen handelt. Daher müssen Details und Atmosphäre anders vermittelt werden als über Farbtöne. Für Band 1 haben Tony Moore und Cliff Rathburn die Zeichnungen und Grautöne übernommen und dabei großartige Arbeit geleistet. Durch diese fällt dem Leser erst auf, wie wichtig Schattierungen im Zeichenstil sein können, denn jene verleihen vor allem den detaillierten Zeichnungen der Gesichtsausdrücke enorme Charakterstärke. Auch Landschaftszeichnungen wirken sehr ansehnlich. Ab und zu sind Emotionen sehr ausdrucksstark gezeichnet, was den düsteren und harschen Zeichenstil allerdings perfekt ergänzt und keinesfalls aufgesetzt wirkt. Dialoge wirken durchweg durchdacht und sind selten ausufernd lang.
The Walking Dead Band 1: Gute alte Zeit hat uns großen Spaß bereitet. Im Grunde liefert Kirkman hier ein perfektes Rezept für einen köstlichen Leckerbissen in unserer Streuner-Küche. Solide Zeichnungen sorgen als erste Grundzutat für eine tolle Atmosphäre, die durch charakterspezifisch variierende Formen von Dialogen gekonnt abgerundet wird. Als Hauptgericht wird eine spannende Entwicklung von Shane Walsh, die letztlich in seinem Tod endet, serviert. Als Beilage dazu werden Handlungen präsentiert, die zukünftige Charakterentwicklungen von Andrea, den Grimes und Dale geradezu auf dem Silbertablett präsentieren!
Band 2: Ein langer Weg
Der zweite Band beginnt mit einem interessanten Flashback aus Loris und Shanes rezenter Vergangenheit, in der dem Leser klar wird, dass diese eine Romanze eingegangen waren, die nicht bloß von platonischer Natur war.
Rick hat nun Shanes Rolle als Anführer der Gruppe eingenommen und setzt seinen Plan, das Lager an einen sichereren Ort zu verlegen, in die Tat um. Unterwegs stoßen Tyreese, seine Tochter Julie und deren Freund Chris dazu und erreichen eine vermeintlich verlassene Siedlung namens Wiltshire. Zuvor erfährt Rick von Lori, dass sie schwanger ist. Es ist Winter und um dem Kältetod zu entrinnen, entschließt sich Rick dazu, in einem der verlassenen Häuser zu übernachten. Nachdem einige Streuner erscheinen und erledigt werden, legt sich die Gruppe zur Ruhe. Dabei kommen sich sowohl Tyreese und Carol als auch Dale und Andrea sehr deutlich näher. Als der Schnee über Nacht schmilzt, wird eine Inschrift am Eingang der Siedlung aufgedeckt: „All Dead Do Not Enter“. Nachdem ein ungesehener Streuner Allens Frau Donna tötet, schießt Allen mit seiner Pistole auf diesen und lockt damit eine ganze Herde aus den verlassenen Häusern der Siedlung. Der Gruppe gelingt die Flucht und ohne Nahrung, nun erneut auf die Jagd angewiesen, wird Carl versehentlich von Otis, einem fremden Mann, der ebenfalls auf der Jagd war, angeschossen. Rick und Otis bringen den bewusstlosen Carl zur nahegelegenen Farm von Hershel Greene, einem alten Mann, der medizinisch bewandert ist. Er operiert Carl auf der Stelle und rettet ihm dadurch das Leben. Rick und der Rest seiner Gruppe wird gestattet, sich bis zu Carls Genesung auf der Farm aufzuhalten, die allerdings ein dunkles Geheimnis trägt: In der verriegelten Scheune befinden sich der Großteil der Familie Greene sowie ein Teil der Nachbarschaft – in untoter Form. Hershel und seine Kinder Maggie, Lacey, Arnold, Billy, Susie und Rachel glauben an eine Heilung der Krankheit und sehen ein Töten der Zombies als Mord an, was einen grundlegenden Interessenkonflikt zwischen Ricks Gruppe und den Greenes generiert, da Rick zwar Hershels Trauer um seine Familie versteht, aber seine Gruppe nicht neben einer mit Zombies gefüllten Scheune leben lassen möchte. Währenddessen entwickelt sich recht schnell eine Liebschaft zwischen Maggie und Glenn, die von großer Bedeutung zu sein scheint.
Bei dem Versuch, einen Streuner in die Scheune zu sperren, werden Lacey und Arnold getötet und zwischen Rick und Hershel bricht ein Streit hervor, der damit endet, dass Rick samt seiner Gruppe der Farm verwiesen wird. Gemeinsam macht sich die Gruppe nun auf die Suche nach einer Unterkunft – außer Glenn, der in der Zwischenzeit eine Liebesbeziehung zu Maggie aufgebaut hat und bei ihr auf der Farm bleiben will und darf. Unterwegs entdeckt Ricks Gruppe von einem Hügel ein leerstehendes, aber nicht verlassenes Gefängnis. Rick hofft, endlich eine permanente Bleibe gefunden zu haben.
Auch in diesem Band sind einige Handlungen zeitlich von den entsprechenden Handlungen der The Walking Dead TV-Serie anders angesetzt. Rick erfährt beispielsweise erst auf Hershels Farm von Loris Schwangerschaft. Dadurch, dass Shane in der Serie erst stirbt, bevor die Gruppe die Farm verlassen muss, da diese von einer Zombieherde überrannt wird, wurde hier noch Platz für zusätzliche Handlungsstränge geschaffen, wie die enorme, negative Entwicklung von Shane, nachdem er Otis auf einer Beschaffungstour einigen Streunern zum Fraß vorgeworfen hatte. Tyreese erscheint erst wesentlich später auf dem Fernsehschirm und eine Liebschaft zwischen Andrea und Dale im Comic ist in der Serie ein hitziger und spannungsgeladener Konflikt. Das in der TV-Serie umgesetzte Verschwinden von Sophia und die andauernden Suchaktionen der Gruppe sind ebenfalls für die Serie erfunden worden, was zum Ausdruck bringt, dass dies ein Handlungsstrang ist, der ausschließlich dazu dient, die Entwicklung von Daryl Dixon voranzutreiben, da dieser im TV-Format zu der Zeit nach seiner eigentlichen Rolle und Aufgabe in der Gruppe sucht und in den hauptsächlich von ihm durchgeführten Suchaktionen erstmals einen echten Sinn sieht.
Die Zeichnungen für The Walking Dead Band 2 erledigten, anders als in Band 1, Charlie Adlard und Cliff Rathburn, was man dem Band auch deutlich anmerkt. Charaktere wirken etwas weniger ausdrucksstark und man hat vereinzelt Probleme, die einzelnen Personen deutlich zu erkennen. Auch die Schattierungen wirken sehr viel gröber und Landschaften sind detailärmer als sie es im vorigen Band waren. Dadurch geht leider einiges an Atmosphäre verloren und alles wirkt irgendwie nicht annähernd so ansehnlich, wie man es gewohnt war. Dabei sieht Band 2 keinesfalls schlecht aus, man sieht den Besetzungswechsel nur ziemlich deutlich, was nach wenigen Seiten allerdings zur Gewohnheit wird und anschließend nicht mehr auffällt. Auffallen tut im Gegensatz dazu allerdings die sehr vulgäre Ausdrucksweise von Allen, nachdem dieser seine Frau verloren hat und dieser Andrea mehrfach heftig beleidigt, womit wir als Leser in dem Moment nicht gerechnet haben. Auch Maggies und Glenns erstmalige Übereinkunft, eine bloße Liebschaft einzugehen, wird ebenfalls unerwartet vulgär vermittelt.
Für unsere The Walking Dead Streuner-Küche bedeutet Menü 2 also: Ein liebliches Zusammenspiel mehrerer Inhaltsstoffe sorgt für zukünftigen (Lese-) Genuss. Ein wenig Bitterkeit, Trauer und Zorn runden den Gefühlssalat geschmacklich gekonnt ab, wohingegen die Optik etwas zu kurz kam. Von Band 1 zu Band 2 war der Unterschied der Zeichnungen doch recht deutlich erkennbar, was dazu führt, dass Band 2 lediglich optische Mängel aufweist, inhaltlich diese Mängel allerdings wettgemacht werden, wodurch das Menü außerordentlich köstlich bleibt!
Julian Elison
Bildquelle(n): AMC Film Holdings LLC. / Cross Cult c/o Amigo Grafik GbR