Im Puzzle-Plattformer Little Nightmares werden Kindheitsalbträume wahr. Das Horror-Adventure eifert großen Indie-Erfolgen wie „Limbo“ oder „Inside“ nach. Aber erreicht es auch ihre Qualität?
Unvermittelter Einstieg
Kaum habe ich den ‚Spiel starten‘-Button gedrückt, erwache ich auch schon als kleines Mädchen namens Six in einem großen dunklen Raum. Die Umgebung ist trist, alles ist grau in grau gehalten. Das einzig Farbige in der Umgebung ist die Spielfigur – diese trägt einen leuchtend gelben Regenmantel. Wieso sie hier aufwacht, wer Six eigentlich ist und was ich tun soll, weiß ich nicht. Wenn euch dieser Einstieg erstaunlich bekannt vorkommt, dann seid ihr nicht allein: Auch ich fühlte mich sofort stark an das erst im Juni 2016 erschienene „Inside“ vom Independent Studio Playdead, welches bereits den Erfolgshit „Limbo“ entwickelte, erinnert. Nun gut, das muss ja nichts Schlechtes sein, also auf ins Abenteuer!
Stimmungsvolles Jump’n’Run
Wagemutig und neugierig darauf, was mich in der Welt von Little Nightmares erwartet, mache ich mich auf den Weg. Sofort fällt auf, dass auch die Steuerung der von „Inside“ sehr ähnelt. Little Nightmares ist eben auch ein Puzzle-Plattformer. Mit der kleinen Heldin kann man laufen, springen, sich an Vorsprüngen festhalten und klettern, sowie Gegenstände bewegen und tragen. Außerdem hat Six ein Feuerzeug in der Tasche, mit dem man besonders dunkle Passagen beleuchten kann. Ein im gesamten Spiel durchaus nützliches Werkzeug, denn Little Nightmares ist oftmals so dunkel gehalten, dass man ohne dieses Feuerzeug quasi nichts sieht.
Der Weg führt mich weiter durch dunkle Gänge, aber auch über Rohre und tiefe Abgründe. Vor schwankenden Lichtkegeln muss ich mich in den Schatten verstecken, sonst sterbe ich. Die Welt ist vereinsamt und alles ist im Vergleich zum kleinen Mädchen im gelben Regenmantel riesengroß. Einige Sprungeinlagen sowie das ein oder andere Physikrätsel müssen gemeistert werden und ich begegne ersten Gegnern: Ekligen schwarzen Würmern, vor denen ich entkommen muss, denn kämpfen kann ich in Little Nightmares nicht.
“Inside“ Teil 2?
Das komplette erste Kapitel von Little Nightmares fühlt sich eher wie ein „Inside 2“ an. Es hält Spielspaß bereit, keine Frage. Solides Gameplay, die düstere Umgebung, welche ein wohlig schauriges Gefühl erzeugt und die Neugier was mich noch erwartet, treiben mich voran. Aber es macht sich auch Enttäuschung breit: Wieso klont man denn nur ein gutes dreiviertel Jahr nach Erscheinen stupide das Erfolgsrezept eines schon vorhandenen, bekannten Spiels? Muss das sein? Ich spiele jedoch tapfer weiter und wie sich zeigt sollte sich das lohnen!
Denn ab dem zweiten Kapitel bis zum Spielende unterscheidet sich Little Nightmares dann doch von „Inside“, wobei es aber weiterhin genauso viel Spaß macht. Es kommt ein wenig Farbe ins Spiel, was bereits der augenfälligste äußere Unterschied ist. Dabei bleibt die Spielwelt jedoch fortwährend schaurig-schön surreal. Im weiteren Verlauf begegne ich verschiedenen abstrusen Gegnern, vor welchen es oftmals auf verschiedene Weisen zu flüchten gilt.
Skurrile Monster und atmosphärische Rätsel
Wer Stealth-Spiele nicht mag, sollte die Finger von Little Nightmares lassen. Denn den Großteil der Zeit verbringe ich damit, mich vor skurrilen Monstern wie dem Hausmeister oder den Kochzwillingen zu verstecken und an ihnen unbemerkt vorbeizuschleichen. Ich verstecke mich unter Küchenschränken, hänge unbemerkt an Wänden oder schleiche mich hinter abgelenkten Gegnern davon. Manchmal kann man auch einfach nur noch versuchen wegzurennen. All diese Situationen erzeugen häufig ein wohliges Herzklopfen, wenn man darum bangt, ob man noch rechtzeitig davon kommt oder hoffentlich nicht entdeckt wird. Das alles macht sehr viel Spaß und unterscheidet sich schlussendlich doch sehr vom hier viel erwähnten Plattformer „Inside“.
Den anderen Teil des Gameplays machen verschiedene mal mehr, mal weniger kreative Rätsel und Jump’n’Run-Einlagen aus. Allzu oft muss einfach ein Schlüssel für eine verschlossene Tür gefunden und an Gegnern unbemerkt vorbeigeschmuggelt werden. Dies ist auf Dauer etwas eintönig. Andererseits hält Little Nightmares auch skurrile Rätselperlen bereit. An einer Stelle muss zum Beispiel die Wurstmaschine bedient werden, um eine Wurstliane zu bauen, an der sich Six zur anderen Seite schwingen kann. Bei solch atmosphärischen Ideen zeigt Little Nightmares wie viel Liebe zum Detail im Spiel steckt.
Technisch kein Highlight
Nicht unerwähnt bleiben sollen allerdings auch die Probleme, die ab und an mit der Steuerung vorhanden sind. Auch wenn man sich in Little Nightmares tendenziell eher zweidimensional von links nach rechts bewegt, basiert das Spiel auf einer 3D-Engine, man kann sich also auch in die Tiefe des Raumes bewegen. Dies führt allerdings aufgrund der 2D-lastigen Kameraperspektive auch gern mal dazu, dass man an Elementen der Spielwelt vorbeihüpft, ohne dies vorhersehen zu können.
Ein weiterer Minuspunkt sind die störend langen Ladezeiten. Auf der Playstation 4 Pro wartet man nach dem Ableben der kleinen Six gern mal 10 bis 30 Sekunden auf den Wiedereinstieg. Dies fühlt sich für ein Spiel wie Little Nightmares einfach zu lang an und ist lästig.
Grafisch ist der Horror-Plattformer trotz Unreal 4 Engine kein Highlight. Das Feuerzeug wirft leider gern kantige, nicht so recht zu Umgebung passende Schatten und die Monster sind hier und da etwas ungelenk animiert. Dies rückt allerdings durch stimmungsvolle Kulissen und auch die gezielt und stets passende Musik und gruseliger Soundeffekte in den Hintergrund.
Little Nightmares – Fazit
Die Story von Little Nightmares kommt gänzlich ohne Dialoge aus und lässt somit selbst nach Beenden des Spiels noch viel Interpretationsspielraum. Beendet ist das Spiel übrigens recht fix, die Spielzeit beträgt lediglich gute vier Stunden. Diese sind allerdings sehr kurzweilig und obwohl ich anfangs sehr skeptisch war, kann ich Little Nightmares allen Freunden von schauriger Atmosphäre gepaart mit Rätseln, Jump’n’Run und Stealth-Einlagen empfehlen. Little Nightmares erfindet das Rad nicht neu, aber besonders wenn euch Spiele wie „Limbo“ und „Inside“ gefallen haben, ist es trotz einiger Schwächen ein atmosphärischer Zeitvertreib.
Infobox:
- Titel: Little Nightmares
- Entwickler: Tarsier Studios
- Publisher: Namco Bandai Games
- Release: 28.04.2017
- Plattformen: PC, PS4, Xbox One
- USK: 12
- Genre: Horror-Adventure/Puzzle-Plattformer
Bildquelle(n): Namco Bandai Games