Eine gefühlte Ewigkeit ist es her, dass Atlus Fans von JRPGS und Animes mit Persona 4 beglückte. Wir haben uns ins virtuelle Tokyo gewagt, um herauszufinden ob Persona 5 mit seinen Vorgängern mithalten kann.
Also: Schuluniform an, Tarotkarten raus: PERSONA!!!
I AM THOU… THOU ART I
Es könnte so einfach sein: ich könnte schreiben, dass Persona 5 anfängt wie seine beiden Vorgänger. Mit einem Schüler, der neu in der Stadt ist, dort ein Jahr wohnen wird und plötzlich auf eine geheimnisvolle Parallelwelt stößt. Das wäre aber glatt gelogen. Persona 5 eröffnet das neueste Abenteuer unmittelbar mit einem gigantischen Paukenschlag. Als sogenannter Phantomdieb werde ich direkt in die Infiltration eines gut bewachten Gebäudes geworfen. Über Funk feuern mich dabei mir als Spieler unbekannte Komplizen an. Ohne genau zu wissen, was passiert, renne, kämpfe und schleiche ich mich also in einem vergleichsweise raschen Wechsel aus Spiel- und Animesequenzen durch den Komplex. Doch gerade als die Mission so gut wie geschafft scheint, passiert das Unfassbare: die Polizei umringt mich. Auf dem Boden, auf den Dächern, überall. Das letzte, das ich höre, bevor ich bewusstlos geschlagen werde: einer meiner Komplizen hat mich verraten.
Der Spielername, den ich mir wie in Persona üblich selbst geben kann, kommt diesmal nicht auf Igors Vertrag. Sondern auf das unter Anwendung von Drogen und anderen Gewaltformen von mir erzwungene Geständnis. Wie konnte ich in diese völlig ausweglose Situation umringt von korrupten Erwachsenen geraten? Und so beginnt Persona 5…
Da bin ich also. Von meiner alten Schule geschmissen, weil ich ein Fünkchen Gerechtigkeits-Sinn hatte. Verklagt von dem Typen, der versucht hat, eine Frau zu entführen und den ich in Nothilfe verletzt habe. Selbst an meiner neuen Schule in Tokyo würdigt man mich kaum eines offenen Blickes. Dafür wird hinter meinem Rücken über mich getuschelt. Doch durch pures Glück stolpere ich nach und nach in weitere Außenseiter. Immer deutlicher wird dabei, dass nicht nur an der Schule, sondern in der ganzen Stadt Übles vor sich geht.
Hinter der Maske
So gehe ich also tagsüber dem Schulalltag nach. Sprich: für Klausuren lernen, ins Kino oder Essen gehen, jobben und mehr. Wenn ich mich mit meinen neuen Freunden verabrede, steigt mein Beziehungslevel zu ihnen an. Viele Aktivitäten kommen aber auch einer oder mehreren meiner fünf Eigenschaften zu Gute. Häufig ist ein bestimmter Rang in einer oder mehrerer dieser Eigenschaften erforderlich, um die Beziehung zu einem bestimmten Charakter weiter auszubauen. Dementsprechend ist dieser Teil des Spiels also nicht zu vernachlässigen.
Umso besser ist es, dass er größtenteils gut umgesetzt ist. Die Aktivitäten sind nicht nur zahlreich, sie sind auch schön inszeniert. So gibt es zum Beispiel auch einen Baseball-Automaten, in dem man aktiv ein Reaktions-Minispiel spielt und gegebenenfalls einen Sonderpreis abräumen kann. Einige Beschäftigungen sind auch Tages- und/oder Wochenzeit abhängig. Die Badeanstalt zum Beispiel bietet an zwei Tagen in der Woche ein medizinisches Bad an, das besonders effektiv den Charme steigert. Das Lernen für Prüfungen wiederum ist an regnerischen Tagen im Diner besonders wirksam. So wird eine lebendige Atmosphäre geschaffen. Dem entgegen wirkt leider etwas, dass sich Aktionen und auch Dialoge einer jeweiligen Aktivität immer wieder wiederholen. Praktischerweise lassen sich schon beim ersten Spieldurchlauf sämtliche Dialoge außerhalb von Animesequenzen vorspulen.
Take your Time (and use it well)
Insgesamt macht dieses Sim-artige Gameplay aber dennoch so viel Spaß wie eh und je. Gerade das Schmieden der verschiedenen Freundschaften bietet mit seinen unterschiedlichen Handlungen und ebenso sympathischen wie unterschiedlichen Charakteren viel Vergnügen. Nicht umsonst macht diese Komponente für mich und viele andere Persona-Fans einen großen Teil des Reizes aus. Zusammen mit den anderen Aktivitäten ist es teilweise eine wahre Micro-Management Herausforderung, Schüler-Alltag und Phantomdieb-Dasein gleichermaßen zu bewältigen. Denn ähnlich wie in Persona 4 wird sich überwiegend direkt nach der Schule im Hauptquartier getroffen, um von dort aus zu den Dungeons, die hier Paläste genannt werden, aufzubrechen. Ziel dieser Diebeszüge ist es, korrupten Menschen ihre Sehnsüchte zu stehlen, um sie so von ihren verdorbenen Charakterzügen zu befreien und zu Geständnissen zu zwingen. Hier schlägt Persona 5 sehr düstere Töne an: die Machenschaften der Widersacher reichen von Mobbing über Entführung und Vergewaltigung bis zum Mord.
Ist ein Palast erst einmal abgeschlossen, verschwindet dieser dauerhaft. Trainieren ist aber in dem sogenannten Mementos möglich, einem “Palast” von allen Menschen. Dort könnt ihr Aufträge, die ihr über das Online-Forum der Phantom Thieves erhaltet, erledigen. Im Gegensatz zu den häufig sinnlos wirkenden Sammelquests der Vorgängertitel, hat man hier eine handfeste Motivation. Sei es einen Stalker oder einen Bully zu bekehren, hier sind die Probleme gravierender als fehlende Kohle für die Heimsauna (Persona 4).
Alles beim Alten?
Nicht ganz. Persona 5 führt besonders in Bezug auf die Dungeons neue Elemente ein, die frischen Wind für alte Hasen bringen aber auch den Einstieg für Neulinge der Reihe erleichtern. In regelmäßigen Abständen findet ihr in den Palästen sichere Räume, in welchen ihr speichern und zu anderen bereits entdeckten oder dem Eingang schnellreisen könnt. Findet ihr also eine Truhe, die ihr gerade mangelnden Werkzeugs nicht öffnen könnt, ist diese beim nächsten Mal schnell erreichbar. Auch die neuen Bewegungsmöglichkeiten helfen euch dabei, geschwinder vom Fleck zu kommen. In Diebesmanier könnt ihr euch nämlich hinter Sesseln, Tischen, Säulen oder ähnlichen Objekten verstecken und zum nächsten Versteck hechten und euch so blitzschnell an Gegner heranpirschen oder sie umgehen.
Das sogenannte Third Eye hilft euch dabei, Klettermöglichkeiten, Kriechschächte und Schätze enthaltende Gegenstände ausfindig zu machen. Insgesamt bestehen die Dungeons im Vergleich zu anderen Persona Titeln nicht aus leeren Gängen sondern kreativ gefüllten Hallen, verwinkelten Gängen und mehr, die häufig durch die neuen Möglichkeiten zusätzlich in der Vertikale erkundbar sind. Auch kleine „Rätsel“, die man zum Öffnen einer Tür oder Ausschalten eines Mechanismus lösen muss, lockern die früher auf Dauer ermüdenden Dungeonerkundungen auf. Insgesamt sind die Paläste ebenso abwechslungsreich wie kreativ, sodass ich das Dungeon-Crawling so genossen habe, wie in wenigen anderen Spielen.
Hände hoch!
Im Kampfsystem selbst wurde auch etwas Neues implementiert. Im Gegensatz zu den Vorgängern der Reihe besitzt jeder Charakter eine Melee- sowie eine Fernwaffe, deren Munition pro Dungeonbesuch beschränkt ist. Da diese beiden in unterschiedliche Schadensarten aufgeteilt sind, bringen sie also zusätzliche Tiefe in den rundenbasierten Kampf. In den Hold-Ups, in welchen ihr euch zwischen einer All-Out Attacke oder dem Verhandeln entscheiden könnt, werden sie außerdem toll in Szene gesetzt. In den Verhandlungen könnt ihr versuchen mehr Geld, ein gutes Item oder den Schatten selbst als Persona für euch zu gewinnen. Bei Letzterem müsst ihr jedoch typgerechte Antworten zu den Fragen des Schattens geben und das passende Level haben, um ihn von euren Fähigkeiten zu überzeugen.
Welcome to the Velvet Room
Nachdem ich nun einige Personas gesammelt habe, wird es Zeit den Velvet Room aufzusuchen. In Persona 5 gleicht dieser einer Gefängniszelle, deren Wärter zwei kleine Mädchen mit Augenklappen sind, Caroline und Justine. Und hier liegt mein einziger richtiger Kritikpunkt. Mag es an meinem übermäßigen Anime- und Mangakonsum liegen, aber zwei kleine Mädchen, von denen eine mich übermäßig dominant herumkommandiert, verursachen bei mir einen starken Loli-Vibe. Dadurch sind die beiden, meiner Meinung nach, die bisher schlechtesten Velvet Room Bewohner der Reihe. Dafür hat mich die Inszenierung der Persona-Fusionen vom Sessel gehauen. Mit leerem Blick oder sich wild wehrend werden die zu verschmelzenden Personas zu Guillotinen geführt, mit einem Tuch bedeckt und hingerichtet. Wo im Vorgänger lediglich Karten zusammengemischt werden, habe ich hier schon fast emotionale Bindungen zu den Kreaturen.
Trotz des fantastischen Artdesigns sieht man dem Spiel an, dass es auch auf der PS3 erhältlich ist. Plakate an der Wand, Gras und ähnliche Detailtexturen sind teilweise verschwommen und schöpfen definitiv nicht das volle Potential der PS4 aus. Persona 5 läuft aber wunderbar flüssig, die Ladezeiten sind kurz und es ist mit Sicherheit das zurzeit mit Abstand bestaussehendste Spiel mit Anime-Optik.
Das Warten hat sich mehr als gelohnt
Fans der Persona-Reihe sei versichert, dass sie in den ersten Spielstunden von Persona 5 ein Dauergrinsen auf dem Gesicht haben werden. Es sieht großartig aus, die Synchronisation sowie die Charaktere sind wie gewohnt top und das Spielen macht einfach Spaß. Aber besonders jedem, der noch keinen Titel der Reihe in der Hand gehalten hat, möchte ich dazu raten, hier einzusteigen. Die neuen Spielelemente erleichtern das Navigieren und verleihen dem Dungeoncrawling mehr Pepp und Dynamik. Es gibt so viel zu entdecken, von den verschiedenen Social-Links bis hin zu witzigen Anspielungen auf beispielsweise Filmtitel oder kleinen Eastereggs, sodass ihr mit diesem Spiel lange Spaß haben werdet.
Infobox:
- Titel: Persona 5
- Entwickler: ATLUS
- Publisher: Deep Silver
- Release: 04.04.2017
- Plattform: PS3, PS4
- USK: 12
- Genre: Japanisches Rollenspiel (JRPG)
- Sprachausgabe: Englisch (Audio und Text), Japanisch soll als DLC verfügbar gemacht werden
- Multiplayer: Nein
Ihr seid angefixt? Dann könnt ihr, wenn ihr auf das folgende Bild klickt, Persona 5 auf Amazon bestellen und uns finanziell ohne zusätzliche Kosten für euch unterstützen.
Lars Baumgart, Clea Reumbach
Bildquelle(n): ATLUS Co., Ltd., Deep Silver