Alola! 1996 ließ Game Freak mit Pokemon Blau und Rot ein Rollenspiel für den Nintendo Game Boy von der Leine, dessen Hype bis heute noch seinesgleichen sucht. In der Welt von Kanto bestand eure Aufgabe darin, alle 151 der legendären Taschenmonster zu fangen und der beste Trainer der Welt zu werden. Nach sechs Generationen großartiger Spiele und drei Jahren Wartezeit auf ein neues Abenteuer, stehen wir nun im Jahre 2016 vor der Herausforderung, insgesamt 802 Pokemon unser Eigen zu nennen. Viel hat sich seitdem getan und die neuen Ableger Pokemon Sonne und Mond bringen ein wenig Wirbel in die Reihe. Und wie.
Willkommen auf Hawaii… äh Alola!
Vor drei Jahren gelang Game Freak mit Pokemon X und Y der Sprung in die dritte Dimension und definierte unser Spielerlebnis mit einem frischen und zeitgemäßen Grafikstil neu. Auch Sonne und Mond bedienen sich an dieser Engine und schicken einen neuen Protagonisten von Kanto nach Alola auf die Reise. Nach einer mysteriösen Videosequenz, die den Plot der neuen Generation einleiten soll und einem kurzen Briefing von Professor Kukui, in dem ihr die Möglichkeit habt, euren Trainer oder eure Trainerin innerhalb eines gewissen Rahmens selbst zu gestalten, kann das Abenteuer in Alola auch schon losgehen. Schnell könnte man denken, dass sich der angehende Trainer im Urlaub befindet, da die Welt und dessen Kultur sehr stark Hawaii nachempfunden ist. Weit gefehlt. Viel Arbeit kommt auf uns zu.
Zu Beginn nimmt sich das Spiel viel Zeit euch mit den Charakteren und der Umwelt vertraut zu machen. Absolut kein Segen für Speedrunner, die den Bestand eines Runs von ihrem Starter abhängig machen. Denn bis dahin dauert es eine knappe halbe Stunde. In meinen Augen etwas zu langatmig. Doch die Wartezeit wird belohnt mit einer Qual der Wahl zwischen drei Pokemon: Robball, dem Seehund-, Flamiau, dem Feuerkatzen- oder der Internetstar Bauz, dem Laubflügel-Pokemon.
Hey, alles glänzt, so schön neu!
Spätestens nach der Wahl eures treuen Kompagnons wird klar, dass in Alola ein ganz anderer Wind weht. Denn gemeinsam mit dem aufgeweckten Rivalen Tali und der schüchternen aber sympathischen Lilly, die wir bereits in der ersten Videosequenz kennenlernen durften, geht ihr auf Inselwanderschaft.
Die Inselwanderschaft löst das bekannte „Acht Arenen, acht Orden“-Konzept ab, denn auf Alola gibt es keine Arenen. Während Professor Kukui Alolas Pokemon-Liga aufbaut, seid ihr intensiv damit beschäftigt, Inselwanderschafts-Champ zu werden und erkundet die Welt Alolas auf vier verschiedenen Inseln. Auf jeder Insel bekommt ihr von den jeweiligen Captains im Rahmen von Prüfungen verschiedene Aufgaben. Sei es verschiedene Zutaten sammeln, Fotos von Pokemon schießen oder Quizfragen beantworten. Alle Aufgaben enden damit, dass ihr zum Schluss ein sogenanntes Herrscher-Pokemon besiegen müsst. Diese starken Gegner können euch vor eine Herausforderung stellen, da sie erhöhte Statuswerte haben und weitere Mitstreiter zur Hilfe rufen können.
Bei Erfolg könnt ihr weitere Gebiete auf der Insel erkunden und bei Abschluss aller Prüfungen den jeweiligen Inselkönig herausfordern. Als Belohnung für eure Arbeit bekommt ihr von den Captains und dem Inselkönig sogenannte Z-Kristalle. Diese Änderung bringt den nötigen frischen Wind in die Reihe und passt wunderbar zur neuen Region. Hut ab, Game Freak.
Von der Mega-Entwicklung zur Z-Kraft
Z-Kristalle sind neue Ausrüstungsgegenstände, die die Z-Kraft in Pokemon wecken können. Für jeden Typ gibt es einen Z-Kristall, der alle Attacken eines Typs zu Z-Attacken aufwertet. Z-Attacken sind eine neue Form von Attacken, die sehr stark sind, aber nur einmal pro Kampf eingesetzt werden können. Diese Attacken verhalten sich also genauso wie die Mega-Entwicklungen. Leider kommen auf Alola vorerst keine neuen Mega-Steine hinzu. Auf ein Mega-Dragoran werden wir also noch warten müssen.
Das war noch lange nicht alles. Aufgrund des Klimas auf Alola haben sich einige Pokemon in der Region verändert. Sie haben einen neuen Look sowie neue Typkombinationen und Fähigkeiten. Beispielsweise entspricht die Regionalform von Kokowei dem Typ Pflanze/Drache und könnte so nützlicher in einigen Teams sein. Viele weitere Pokemon aus Kanto haben eine Alola-Form und werden euch neben den 80 neuen Wesen während eurer Reise begegnen.
Während ihr euch in eurer Zeit in Alola fleißig mit neuen Klamotten eindecken und in Restaurants den Bauch vollschlagen könnt, gibt es die Gelegenheit, euch an dem neuen Kampfsystem „Battle Royale“ zu versuchen. In diesem Modus treten vier Trainer mit jeweils einem Pokemon in einem Free-For-All-System gegeneinander an. Jedoch kommt diese Neuerung im Spielverlauf zu kurz und stellt nur einen simplen Zeitvertreib dar.
Vereinfachung, soweit das Auge reicht
Als Professor Kukuis Schützling interagiert ihr viel mit Rotom, der sein Zuhause nun in einem Pokedex gefunden hat. Dieses innovative Stück Technologie stellt eine Schnittstelle zwischen Mensch und Pokemon dar und steht euch während der Story zur Seite. Beispielsweise führt euch Rotom zu wichtigen Orten oder teilt euch im Kampf mit, welcher Attacken-Typ wie effektiv gegen ein gegnerisches Pokemon ist. Dadurch, dass ihr stets zum nächsten Punkt gelotst werdet, wirkt der Spielverlauf sehr linear und man neigt dazu, auf eigene Faust nicht mehr so viel zu entdecken.
Auch die neue Form des EP-Teilers hat seinen Weg in die Spiele gefunden und führt im angeschalteten Zustand allen Pokemon im Team dieselbe Menge an Erfahrungspunkten zu, wenn ein gegnerisches Pokemon besiegt wurde. Wer also eine Herausforderung sucht, ist gut damit beraten, diesen nicht zu nutzen. Ansonsten solltet ihr mit dem Abenteuer keinerlei Schwierigkeiten haben.
Es gibt aber auch eine hervorragende Vereinfachung: Das PokeMobil! Dieses neue Feature löst die VMs ab und gibt euch die Möglichkeit nach Belieben Pokemon wie Tauros zu beschwören um Felsen zu zertrümmern. So müsst ihr euren Partnern keine Attacken wie Fliegen und Kaskade beibringen, um voranzukommen. Genannte Attacken bekommt ihr fortan per TM zugespielt und können während des Kampfes weiterhin eingesetzt werden. Herrlich.
Ein Hauch Pokemon Z
Letztes Jahr wurde darüber spekuliert, ob Nintendo die Spezialedition zu Pokemon X und Y, nämlich Pokemon Z ankündigt. Auslöser hierzu war die Enthüllung der 10% und der Complete Forme des legendären Pokemon Zygarde und des Animes Pokemon the Series: XYZ. Ein neues Element in Sonne und Mond lässt darauf schließen, dass die Arbeiten an diesem Spiel zwar aufgenommen, aber nicht abgeschlossen wurden. In Alola könnt ihr mithilfe eines speziellen Würfels 100 Bestandteile Zygardes sammeln um euren Pokedex um diese beiden Formen zu vervollständigen. Jedoch hätte ich mir in Bezug darauf mehr Tiefgang gewünscht. Denn diese Nebenaufgabe hat keinerlei Einfluss auf die Geschichte.
Game Freak schien die gewonnene Zeit genutzt zu haben, um uns mit diesen Spielen wieder eine interessante Story zu liefern – mit Erfolg. Die Geschichte wurde sehr liebevoll gestaltet und zieht den Spieler nach einer eher ermüdenden ersten Hälfte in seinen Bann, was nicht zuletzt an den tollen Charakteren liegt, die euch umgeben. Während ihr gegen Team Skull kämpft, einem verpeilten, aus Punks bestehenden Verbrecherteam, das den Bürgern von Alola den Tag vermiest, helft ihr Lilly das Geheimnis von Cosmog und den mysteriösen Ultrabestien zu lösen. Ich möchte nicht mehr als nötig verraten, aber die neue Generation liefert euch die beste Geschichte seit Pokemon Schwarz und Weiß und fesselt euch 20-25 Stunden an euer Handheld.
Nachdem ihr in die Annalen eingegangen seid, habt ihr nach Abschluss des Spiels noch viele Aufgaben zu erledigen und Orte zu erkunden. Dabei trefft ihr auch viele bekannte Gesichter aus anderen Regionen. Es wird also nicht langweilig in Alola.
Big brother is watching you
Vom technischen Gesichtspunkt sind die beiden neuen Editionen sehr stark an ihre Vorgänger angelehnt. Grafisch wurden die beiden Spiele jedoch aufgebessert. Game Freak hat einige Animationen, wie z.B. die Attacke „Mülltreffer“, neu aufgesetzt und bestehende nachgebessert. Auch sämtliche Modelle machen einen besseren Eindruck. Bei den Doppelkämpfen wird aber die Framerate in Mitleidenschaft gezogen. Da ist noch Luft nach oben.
Hinsichtlich des Soundtracks hat Game Freak auch hier neue Impulse gesetzt und liefert außerdem einen sehr karibischen Touch. Einige Tracks sind sehr außergewöhnlich und überliefern die berühmte Magie auf ihre eigene Weise. Gut möglich also, dass ein paar Stunden mehr Spielzeit auf das Konto geschrieben werden, nur weil ihr den Tönen Alolas lauschen möchtet. Es sei euch gegönnt.
Nach den Video Game Championships hat sich der Entwickler entschlossen, erstmalig das Metagame etwas auf den Kopf zu stellen. In der Vergangenheit gab es kleine Buffs für eine Hand voll Pokemon von Generation zu Generation. Aber dieses Mal wurden Pokemon, Fähigkeiten und Attacken, die zu starken Einfluss auf den Wettbewerb haben, großspurig verändert. Beispielsweise verfügt Gengar nicht mehr über die Fähigkeit „Schwebe“, welche ihn unverwundbar gegenüber Attacken des Typs Boden macht oder Attacken wie „Blutsauger“ haben nun eine Basepower von 80 statt 20. Viele Änderungen sind mir während des Spielverlaufs aufgeschlagen und sollen nun eine Balance im Metagame sicherstellen. Nimm das, Mega-Kangama!
Pokemon Sonne & Mond – Mein Fazit
Game Freak schafft es im Rahmen des zwanzigjährigen Jubiläums, die alten Strukturen aufzubrechen und bietet uns mit Pokemon Sonne und Mond ein großartiges Spiel. Eine tolle Story, eine schöne Region und die Liebe zum Detail machen die siebte Generation zu einem wunderbaren Erlebnis. Die beiden Spiele sind seit dem 23.11.2016 für den Nintendo 3DS erhältlich und ein klares Must-Have für jeden Veteranen. Neueinsteiger haben nun aufgrund der vielen Vereinfachungen die Chance, in die Welt von Pokemon einzutauchen und sollten sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen.
Bildquelle(n): Nintendo / The Pokemon Company