Es war wohl eher ein (glücklicher) Zufall, dass ich „The Orielles“ überhaupt entdeckt habe, unter normalen Umständen wären sie wohl eine von den 200.000 (neuen) Bands geblieben, deren Namen mir nichts sagt. Im Radio werden sie nicht gespielt, zumindest nicht in dem Radio, das ich höre. Aber wie glückliche Zufälle eben sind, sie kommen unverhofft und genau im richtigen Moment.
Deshalb stand ich an einem lauen Berliner Frühlingsabend mit einem Freund im Monarch-Club, alles war vollkommen entspannt, überall war Lächeln in den Gesichtern und die Band knabberte im improvisierten Backstage Chips. Wir erinnerten uns an die frühen 90er, als wir „Nirvana“ in Halle/Saale gesehen hatten, an ein verpeiltes „Verve“ Konzert (bevor sie sich in „The Verve“ umbenennen mussten) im Huxleys und an viele, viele andere Abende. Und dann standen „The Orielles“ auf der Bühne und fegten all die Gespenster der Vergangenheit einfach weg! Zwei junge Damen, an Bass und Schlagzeug und ein Gitarrist, spielten ihren ersten Song und machten schon dabei klar, dass sie sehr wohl wissen, wie die Vergangenheit geklungen haben mag, und wie sie daraus ihren ganz eigenen Sound kreieren können.
Und so mischten sie fröhlich und völlig unverkrampft Rave und Powerpop, Twee und Funk, Punk und Soundtrackflächen. So etwas kann mächtig schief gehen, bei den Dreien funktionierte es hervorragend. Zum einen, weil die Stimme der Sängerin einfach bezaubern und raumfüllend ist, zum anderen, weil die drei ein wunderbares Gefühl für Songwriting haben und perfekt miteinander harmonieren. Und wenn es dann doch einmal klingt, als würde man es schon mal gehört haben, dann wird unvermittelt eine Kuhglocke geschwungen oder eine Trillerpfeife zum Einsatz gebracht. Ein Konzert voll purer Lebensfreude und eine Hommage an den guten alten Geist der Live-Show!
Im September kommen „The Orielles“ das nächste Mal auf Deutschland-Tour. Bis dahin kann viel passieren, sicher ist schon mal, dass sie dann wohl mehr, als nur ein Geheimtipp sein werden!
Ihr Debut „Silver Dollar Moment“ funktioniert auch in heimischen Gefilden hervorragend. Natürlich ganz besonders in der Vinyl-Version!
PS: Jede zünftige Indie-Band braucht unbedingt ihre Legende! Bei „The Orielles“ könnte es die vielleicht Herkunft sein. Denn die Band stammt aus Halifax. Sind sie also echte Kanadier, die Europa erobern? Nein, sind sie nicht, denn sie kommen aus dem Halifax, das in der englischen Provinz liegt. Und damit natürlich den Indie-Musik-Spirit noch viel besser repräsentiert.
Mikis Wesensbitter
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