Nach dem erfolgreichen Anime „Angel Beats!“ legt das Studio P.A. Works nun nach. Auch in Charlotte geht es wieder um eine Gruppe von jugendlichen Schülern. Diese leben zwar noch, sind allerdings trotzdem nicht ganz von dieser Welt…
Große Macht und das Fehlen jeglichen Verantwortungsbewusstseins
Yuu Otosaka ist ein richtiger Tunichtgut. Als er nach intensivem Grübeln plötzlich eine Superkraft erlangt, mit der er für ein paar Sekunden andere Menschen kontrollieren kann, hat er nichts als seinen persönlichen Profit im Sinn. Er guckt bei Tests den besten Schülern direkt in die Karten, zettelt Prügeleien an und übernimmt Mädchen, um in ihre Ausschnitte oder unter die Röcke ihrer Freundinnen zu linsen. Von der kurzen Dauer der Fähigkeit abgesehen gibt es dabei einen weiteren Schwachpunkt: solange Yuu jemanden kontrolliert, sackt sein eigener Körper zusammen.
So dauert es dann auch nicht lange, bis eine mysteriöse Gruppe anderer Jugendlicher ihm auf die Schliche kommt. Er wird vor die Wahl gestellt: entweder Yuu wechselt an die Schule der Gruppe und tritt dieser bei, oder sie schwärzen ihn bei seiner aktuellen Schulleitung des Betrugs an. Nach einiger psychischer – und physischer – Überzeugungsarbeit entscheidet er sich für den Beitritt. Vor allem auch deshalb, weil die Mitglieder der Gruppe ebenfalls Begabte, also Menschen mit Superkräften, sind.
Anders als zuerst erwartet dient die Unterbringung Yuus und der anderen nicht dem Schutz normaler Menschen. Ganz im Gegenteil, denn die Begabten werden und wurden auch schon in der Vergangenheit stets unterdrückt, verfolgt und auch für Experimente missbraucht. Da sämtliche Kräfte erst im Jugendalter auftreten und mit dem 16. Lebensjahr wieder verschwinden, bietet eine Schule das perfekte Refugium.
Doch während die Gruppe stetig neue Begabte aufspürt, um sie zu retten, erleidet Yuu immer wieder Flashbacks. Wer ist der Fremde, der sich unablässig in seine Erinnerungen zu graben scheint?
Kaum Kämpfe, kein Ecchi – ein ruhiger Anime
Eins muss zu Charlotte ganz klar gesagt werden: es ist ein überraschend ruhiger Anime. Die zwölf Episoden nehmen sich erstaunlich viel Zeit für zwischenmenschliche Momente, Kämpfe gibt es kaum. Man erlebt private Momente der Gruppenmitglieder untereinander – mit „privat“ meine ich hier einfach nur die Freizeit. Ecchi-Momente und Erotik gibt es in Charlotte nicht wirklich. Neben dem mal mehr, mal weniger fröhlichen Beisammensein Yuus mit seinen „Kollegen“, spielt auch seine Schwester eine Rolle. Sie ist einige Jahre jünger als die Anderen, zieht aber dennoch gemeinsam mit Yuu auf den Schulcampus, da die Eltern der beiden verstorben sind. Dadurch rundet sie die Charakterpalette Charlottes gleich zweifach ab – als niedliche kleine Schwester und als eine Art Mutterersatz. Die liebevoll zubereiteten, aber leider überhaupt nicht Yuus Geschmack treffenden Mahlzeiten und Bentoboxen sind dabei ein wiederkehrendes, witziges Element.
Besonders herausstellen muss ich bezüglich des Charakter-Designs übrigens die Tsundere. Yusa Kurobane ist ein berühmtes Idol und ein typisch-süßer Charakter, besitzt aber die Begabung des Toten-Mediums – allerdings ohne davon zu wissen. So wird sie immer wieder von ihrer verstorbenen Schwester Misa übernommen, die im Gegensatz zu ihr ein richtiger Raufbold ist und gerne mal wortwörtlich mit Flammenbällen um sich wirft.
Eine absolut unterirdische elfte Episode
An sich haben mir die Handlung und Charaktere sehr gut gefallen. In der Redaktion gibt es Einige, die den Anime langweilig und als „Angel Beats!“ Fans enttäuschend fanden. Mich hat die vergleichsweise ruhige Art von Charlotte aber sehr angesprochen und ich musste auch ein paar Mal herzlich lachen.
Bei allem ehrlichen Lob muss ich aber auch ernsthafte Kritik üben, denn die elfte Episode strotzt so vor völligem Mangel an jeglichem logischen Denken seitens der Gruppe, ist so unglaubwürdig und offensichtliches Plotdevice zur substanzlosen Steigerung der Spannung, dass ich erstmal genervt eine Pause gemacht habe. In meinen Augen ist die Episode der einzige, aber riesige Makel der Handlung. Zumal abgesehen von der wirklich hirnbefreiten Idiotie der Gruppe beim Verhalten der Schurken in die unterste Schublade des Niveaus gegriffen wurde, um den Zuschauer gegen sie aufzubringen. Am liebsten würde ich eigenhändig eine eigene Fanfic-Episode schreiben, um sie vollständig aus meinem Headcanon zu löschen – sie ist wirklich so schlecht.
Da ich den Anime rezensieren wollte, musste ich selbstverständlich weitergucken, obwohl mir die Lust vergangen war. Darüber bin ich auch froh, denn die folgenden Episoden sind wieder sehr überzeugend. Auch das Ende hat mir gut gefallen, obwohl es vielleicht etwas gestrafft und leicht abrupt wirkt – offene Fragen bleiben nicht und jede Ebene (ob die Hauptstory, die Romantik oder sonstige Beziehungen) wird zufriedenstellend zu Ende geführt.
Guter Sound, nahezu perfekte Synchro, fantastische Optik
Die Optik von Charlotte ist erwartungsgemäß in der Lage, an den Erfolg von „Angel Beats!“ anzuknüpfen. Die Charaktere sind gut designt, auch hier weiß insbesondere der Verbund aus Misa und Yusa zu überzeugen. Der Wechsel zwischen den beiden ist stets deutlich zu erkennen. Dank Mimik und Körpersprache sehen sie trotz identischer Körper und Kleidung aus wie zwei völlig unterschiedliche Charaktere. Auch die Hintergründe sehen mit ihren Details teils fantastisch aus.
Im Vergleich zu anderen Animes konnten mich lediglich das Opening und das Ending nicht übezeugen. Sie waren mir zu flach, zu nichtssagend.
Sehr überzeugt hat mich dafür die deutsche Synchronisation. Bis auf ein, zwei Sätze von Yuus kleiner Schwester, in denen sie einen Tick zu erwachsen klang, gibt es absolut nichts zu kritisieren. Sämtliche Haupt- und Nebencharaktere sind super besetzt und die Schauspieler und Schauspielerinnen hauchen den Charakteren so auch im Deutschen ordentlich Leben ein. So stelle ich mir eine Synchro vor!
Charlotte – Eine Enttäuschung?
Ich kann Charlotte nicht uneingeschränkt empfehlen. Die elfte Episode bricht sowohl die Handlung als auch die Charaktere völlig und kann einem die Lust weiterzugucken nehmen. Wenn man sich jedoch durch diese etwa 20 Minuten durchbeißt, wird man mit einem insgesamt sehr guten Anime belohnt. Ich bin jedenfalls froh, Charlotte gesehen zu haben, da ich gerne auch mal außerhalb des Slice-of-Life Genres ruhige Animes gucke.
Infobox:
- Titel: Charlotte
- Episoden: 13 + 1 OVA (2 Volumes)
- Publisher: Peppermint Anime
- Release: 30. September 2016 (Volume 1) / 25. November 2016 (Volume 2)
- Medium: DVD, Blu-ray
- FSK: 12
- Genre: Sci-Fi, Comedy, Drama
- Sprachausgabe: Japanisch (Audio), Deutsch (Audio und Untertitel)
- Synchronsprecher: Sebastian Kluckert, Meri Dogan, Jodie Blank, u.a.
- Besonderheiten: Code für Akiba Pass (digitale Version des Animes)
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Bildquellen: Peppermint Anime, P.A. Works, Aniplex, VisualArt’s^Key^Charlotte Project
Lars Baumgart