In dieser Woche starten vergleichsweise wenige neue Filme, aber dafür gibt es gleich mehrere, die einen Kinobesuch lohnen. Eines der spannenden Themen in dem bewegenden Drama „Das Talent des Genesis Potini“ ist die ethnische Benachteiligung der Maori in Neuseeland. Es erzählt die wahre Geschichte eines renommierten Schachspielers, der trotz schwerer psychischer Erkrankung Kindern der Ureinwohner, die in Armut aufwachsen, das Schachspiel und Stolz auf die eigenen Wurzeln beibringt. In dem indischen Drama „7 Göttinnen“ geht es um die sexuelle Gewalt in einer Gesellschaft, in der sich Männer Frauen traditionell überlegen fühlen und diese nicht selten sogar als Freiwild betrachten. Die aus der Mongolei stammende, in Deutschland lebende Nachwuchsregisseurin Uisenma Borchu hat auf dem Münchner Filmfest 2015 einen starken Auftritt mit „Schau mich nicht so an“ hingelegt. Seither gilt sie als Hoffnungsträgerin für den deutschen Film und sorgte mit diesem ungewöhnlichen Drama auch auf internationalen Festivals für Aufsehen.
Schau mich nicht so an
Regie: Uisenma Borchu, Verleih: Zorro
Iva (Catrina Stemmer), alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter, und ihre Nachbarin Hedi (Uisenma Borchu) werden ein Liebespaar. Doch Hedi ist weniger verliebt als Iva, in deren Leben sie sich auf aggressiv-provokante Weise einmischt. Dann taucht Ivas Vater (Josef Bierbichler) auf und Hedi lässt Iva auf einmal links liegen, um sich an ihn heranzumachen.
Uisenma Borchu spielt die geheimnisvolle und manipulative Hedi mit großer Kraft und stattet auch als Regisseurin diesen Hochschul-Abschlussfilm mit einer beachtlichen Energie aus. Intimität und Freundschaft, Humor und latente Abgründe, die Frage nach den Facetten weiblicher Identität, sowie nach der kulturellen Verortung einer jungen Migrantin: All das packt Borchu in dieses knisternde erotische Spiel, das zeitweise auch wie ein Krimi anmutet. Einen so forschen und zugleich verspielten Frauencharakter wie Hedi hat es im deutschen Film noch nicht gegeben. Und auch die Experimentierfreude der Geschichte, die mit lustigen Nebenhandlungen und sogar einer Reise in die Mongolei aufwartet, ist beachtlich. So lohnt es sich, den Film anzuschauen, auch wenn er ein wenig unfertig, wie eine ungestüme Talentprobe wirkt.
Demolition – Lieben und Leben
Regie: Jean-Marc Vallée, Verleih: 20th Century Fox
Der New Yorker Investmentbanker Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal) verliert mit Mitte 30 seine Frau bei einem Autounfall. Doch anstatt zu trauern, schreibt er Beschwerdebriefe wegen eines defekten Süßwarenautomaten und nimmt in der Firma seines Schwiegervaters verschiedene Gegenstände auseinander. Er behauptet, seine Frau nicht geliebt zu haben und seine schicke Wohnung zu hassen. Die Kundendienstmitarbeiterin Karen Moreno (Naomi Watts) aus der Automatenfirma reagiert auf seine Briefe und wird seine gute Freundin. Auch sie hat Probleme und einen aggressiven Teenager-Sohn. Der hilft Davis gerne dabei, seine Wohnungseinrichtung zu zertrümmern.
Der frankokanadische Regisseur Jean-Marc Vallée („Dallas Buyers Club“) und der Drehbuchautor Bryan Sipe überraschen mit dieser energiegeladenen Suspense-Geschichte. Sie fährt einen unvorhersehbaren Kurs, die dem bewegenden Psychodrama des Hauptcharakters eine hohe Aufmerksamkeit und Anteilnahme sichert. Jake Gyllenhaal mit seiner emotionsarmen Miene und der junge Judah Lewis in der Rolle eines mit seiner sexuellen Orientierung kämpfenden Teenagers beeindrucken am meisten in diesem starken Film, der Klischees über Trauerarbeit und menschliche Bewältigungsstrategien über den Haufen wirft.
Bianka Piringer
Bildrechte: Zorro Filmverleih und 20th Century Fox