In dieser Woche starten mehrere Produktionen außerhalb der Blockbuster-Liga, die es dennoch wert sind, betrachtet zu werden. Dazu zählt der sehr spannend, nämlich mit überraschenden Twists erzählte, spanische Krimi „Magical Girl“. Oder das naiv-gleichnishafte Abenteuer „Folge meiner Stimme“, das im kurdischen Gebiet der Osttürkei spielt: Dieser Film setzt sich kritisch mit dem Alltag unter militärischer Kontrolle auseinander und taucht zugleich in die regionale kulturelle Tradition mit ihren mündlich überlieferten Geschichten ein. Sehenswert ist auch das sehr verhalten und realitätsnah inszenierte, französische Arbeitslosen-Drama „Der Wert des Menschen“. Sein Schauspieler Vincent Lindon bekam in Cannes 2015 den Preis für die beste männliche Hauptrolle. Auch Brie Larson, die Hauptdarstellerin in dem Entführungsdrama „Raum“, wurde für ihre Rolle ausgezeichnet, und zwar mit dem diesjährigen Oscar. „Raum“ dürfte ein gewisser Erfolg an den Kinokassen sicher sein und zwar nicht zu Unrecht. Der dritte und vorletzte Film der „Die Bestimmung“-Reihe hingegen schwächelt ein wenig.
Raum (Regie: Lenny Abrahamson, Verleih: Universal)
Joy (Brie Larson) lebt seit sieben Jahren in der Gefangenschaft eines Mannes, der sie entführt hat. Ihr fünfjähriger Sohn Jack, der aus dieser Beziehung hervorgegangen ist, hat den kleinen Raum im Gartenschuppen, den sie bewohnen, noch nie verlassen. Er weiß gar nicht, dass sich draußen noch eine ganze Welt befindet. Zwar kennt er sie aus dem Fernsehen, aber Joy ließ ihn bislang glauben, das Fernsehen zeige nur erfundene Geschichten, damit er sich nicht eingesperrt fühlt. Sie zieht ihn sehr liebevoll auf, bis sie merkt, dass sie nicht mehr kann. Dann schmiedet sie einen riskanten Fluchtplan, bei dem der Junge aber seine Rolle gut spielt, so dass sie befreit werden. Aber nun tauchen neue Probleme auf, denn Jack klammert sich verzweifelt an Joy, die seine einzige Mittlerin zwischen seiner bisherigen und der beängstigenden neuen Welt ist.
Der österreichische Fall Fritzl, bei dem eine junge Frau vom eigenen Vater 24 Jahre lang vergewaltigt wurde und mit ihren von ihm gezeugten Kindern in einem Keller in Gefangenschaft lebte, inspirierte die Drehbuchautorin Emma Donoghue zu ihrem Roman „Raum“. Im Zentrum der Verfilmung steht die bewegende Mutter-Kind-Beziehung, mit deren Hilfe gezeigt wird, wie der Junge seine eigene Normalität unter den widrigsten Umständen entwickelt. Das Besondere an dem Film ist, dass er nicht mit der Befreiung zu Ende ist, sondern auch sehr genau imaginiert, wie dieser Schock das Kind erschüttert und wie schwierig das neue Bewusstsein zu verkraften ist.
Die Bestimmung – Allegiant (Regie: Robert Schwentke, Verleih: Concorde)
Beatrice Prior (Shailene Woodley), genannt Tris, überwindet mit ihrem Freund Four (Theo James) und weiteren Begleitern die Mauer, die Chicago von der Außenwelt trennt. Die Gruppe wird in der Randzone von Soldaten aufgegriffen und in das Amt für genetisches Sozialwesen gebracht, das von David (Jeff Daniels) geleitet wird. Er sagt Tris, dass sie als einzige genetisch pur, nämlich unbeschädigt ist, und dass ihr deshalb eine besondere Rolle bei der Rettung der Menschheit zukommt. Doch Tris und ihre Freunde erkennen bald, dass David, der auch für das Fraktionen-Experiment in Chicago zuständig ist, nicht getraut werden kann.
Die dystopische Sci-Fi-Welt von Tris, der von der Jugendroman-Autorin Veronica Roth erfundenen „Divergent“-Heldin, bezog ihre Reize bislang hauptsächlich aus der Idee, dass die Bewohner Chicagos in vier Fraktionen eingeteilt sind. Tris absolvierte als Mitglied der Ferox ein spektakuläres Härte- und Kampftraining und geriet als Unbestimmte, die sich keiner Fraktion eindeutig zuordnen ließ, ins Visier der mörderischen Tyrannin Jeanine. Nun erklimmt die Geschichte aber neue Sci-Fi-Volten, die das Ganze unübersichtlich werden lassen. Hinter der Mauer von Chicago lauern neue Strippenzieher, und was sie mit ihren Versuchskaninchen Tris und Co. vorhaben, könnte vielleicht noch spannend werden, ist es aber in diesem dritten Teil eher weniger. Shailene Woodley und Theo James haben kaum etwas zu spielen, denn ihre Rollen sind hier weder emotional noch in Sachen Action herausfordernd. Allerdings gibt es eine Menge ideenreicher visueller Effekte, sowie als Gadgets kleine tellerförmige Drohnen, die munter herumschwirren. Aber die Handlung wirkt zu rätselhaft und vernachlässigt die innere Dynamik.
Bianka Piringer
Bildrechte: Universal, Concorde