Die Berlinale ist in vollem Gange, aber auch das Kinopublikum im Rest der Republik bekommt in dieser Woche zwei Filme aus ihrer Wettbewerbsreihe serviert: Hail, Caesar! und Midnight Special. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Will Smith, der in Erschütternde Wahrheit einen Arzt spielt, der sich im wahren Leben mit der mächtigen amerikanischen Football-Liga anlegte: Er fand 2002 heraus, dass Profispieler bei diesem ruppigen Nationalsport viele kleine Kopfverletzungen erleiden, die das Gehirn auf Dauer irreparabel schädigen können. Ben Stiller mag es lieber lustig und spielt in der überdrehten Nonsens-Komödie Zoolander No. 2 den Titelcharakter, ein selbstverliebtes Model, das einen Kriminalfall lösen muss. Zahlreiche Stars und Celebrities defilieren mit ihren Kurzauftritten über diesen filmischen Laufsteg, der sich in einem Labyrinth skurriler Ideen verläuft.
Ganz ernst ist hingegen das dänische Fantasy-Abenteuer Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung, das sich mit tollen Mittelalterkulissen und einer sehr spannenden Geschichte an größere Kinder und Jugendliche richtet. Der Horrorfilm The Boy schafft mit seiner ebenfalls gut funktionierenden Handlung das Kunststück, eine reglose Puppe in ein Objekt der Angst zu verwandeln. Ihr dichtet die Filmprotagonistin ein unheimliches Leben an und der Zuschauer macht es ihr bereitwillig nach, weil die Geschichte ihre Rätsel so geschickt verpackt. Der Horror, der sich in dem Thriller Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück entfaltet, war hingegen jahrzehntelang Wirklichkeit für die Gefangenen der Sekte Paul Schäfers in Chile.
Hail, Caesar! (Regie: Ethan Coen, Joel Coen, Verleih: Universal)
Hollywood in den 1950er Jahren: Eddie Mannix (Josh Brolin) ist der sogenannte Fixer bei den fiktiven Capitol Pictures Studios, das heißt, er soll alles richten, was den reibungslosen Verlauf der Dreharbeiten stören oder den Ruf des Unternehmens beschädigen könnte. Stars betrinken sich, bekommen uneheliche Kinder, verschwinden in der Reha, die Presse wittert eine peinliche Story, ein Regisseur rotiert, weil der Ersatzschauspieler keinen ganzen Satz aufsagen kann. Es gibt sogar die Entführung eines Stars: Baird Whitlock (George Clooney), der Star eines Sandalenepos über einen Römer, der Christus begegnet, hat aber seine finale Monologszene noch nicht abgedreht und kann unmöglich ersetzt werden. Mannix schaltet natürlich nicht die Polizei ein, hält die Presse auf Abstand, treibt das geforderte Lösegeld auf.
Die Coen-Brüder sind immer wieder für einen Filmspaß gut, der vor subversivem Humor nur so strotzt. Hollywood gaukelt den Menschen der fünfziger Jahre eine heile Welt vor, während hinter den Kulissen die Scharniere mächtig quietschen: Was nicht ins prüde moralische Weltbild passt, wird halt passend gemacht. Dass die Fünfziger auch die Zeit der Kommunistenjagd waren, vergessen die Coens keineswegs, sondern tun aus lauter Lust am Spott so, als hätte es die konspirative Verschwörung linker Drehbuchautoren, wie von Senator McCarthy und seinen Anhängern imaginiert, tatsächlich gegeben. Mannix ist eine Art Zirkusdompteur, man könnte auch sagen, ein Regisseur, der einen guten Job machen muss – und als solcher natürlich auch eine Hommage der Coens an die Filmfabrik. Wer gute Unterhaltung mit satirisch gefärbtem Witz und mit funktionierendem Timing mag, kommt hier auf seine Kosten.
Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück (Regie: Florian Gallenberger, Verleih: Majestic)
Im September 1973 demonstrieren auf den Straßen der chilenischen Hauptstadt Santiago unzählige Menschen gegen den Militärputsch von General Pinochet. Auch der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl), der in Santiago lebt, und die Stewardess Lena (Emma Watson), die ihn gerade besucht, sind unter ihnen. Der Geheimdienst greift sie auf und verschleppt Daniel. Lena sucht ihren Freund verzweifelt und als ihr jemand den Hinweis gibt, dass er zur hermetisch abgeriegelten Sekte Colonia Dignidad im Süden Chiles gebracht worden sein könnte, beschließt sie, sich dort als Freiwillige vorzustellen.
Gallenberger schildert das Leben in der vom deutschen Paul Schäfer geleiteten Zwangsgemeinschaft als unglaublich bedrückende, tägliche Hölle. Es gibt keinerlei Privatsphäre in dieser grauen Welt, die Überwachung hinter dem elektrischen Zaun ist lückenlos, die Menschen werden geschlagen und vergewaltigt. Im Keller foltert das Pinochet-Regime seine Häftlinge. Die für Lena und andere junge Frauen zuständige Aufpasserin, Tante Gisela, ist eine reine Horrorfigur. Hauptsächlich auch wegen ihr wirkt das Schreckensszenario in seiner Wucht beinahe schon unglaubwürdig, obwohl die Realität vor Ort auch nicht humaner gewesen sein dürfte. Auf das Grauen dieses Sklavenalltags folgt eine atemberaubende Flucht-Story. Daniel Brühl und die mit hellwacher Energie spielende Emma Watson ergänzen sich darstellerisch gut. Ihre Figuren nehmen die Zuschauer auch ein bisschen emotional an die Hand, damit sie den Albtraum besser durchstehen.
Bianka Piringer
Bildquelle: Majestic & Universal