Wer meint, sich vor der arktischen Kälte draußen in einen heimeligen Kinofilm flüchten zu können, muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Denn unter den Kinostarts dieser Woche sind erstaunlich viele Filme vertreten, die von Tod, Verlust, Unglück, Trauer, innerer Isolation handeln. In dem österreichischen Thriller „Die Hölle – Inferno“ gerät eine junge Türkin ins Visier eines Serienmörders. Die junge Heldin in Olivier Assayas‘ neuem Film „Personal Shopper“ wartet auf ein Zeichen ihres verstorbenen Bruders.
Das hochgelobte amerikanische Drama „Manchester by the Sea“ erzählt von einem Mann, der in seine Heimatstadt zurückgerufen wird, als sein Bruder stirbt. Dort aber wird er wieder mit der Katastrophe konfrontiert, die sein eigenes Leben zerstörte. Auch Will Smith spielt in „Verborgene Schönheit“ einen Mann, der mit seinem Leben nichts mehr anfangen kann. Er verkraftet nämlich den Tod seiner kleinen Tochter nicht. Nach zwei Jahren beschließen seine ratlosen Kollegen, ihn endlich mit einem gewagten Trick aus seiner Lethargie zu reißen. Helen Mirren spielt den Tod, das heißt, sie stellt den abstrakten Begriff als Figur dar und gibt ihm eine tröstliche Stimme. Die sehr originelle Geschichte pendelt überzeugend zwischen emotionaler Tiefe und einem Humor, der Geborgenheit spendet.
Manchester by the Sea
Regie: Kenneth Lonergan, Verleih: Universal Pictures
Lee Chandler (Casey Affleck) findet sein Leben nicht lustig. Er quält sich in Boston durch den Job eines Hausmeisters und wird dann in seine Heimatstadt gerufen, weil sein Bruder im Sterben liegt. Dort erfährt er auch noch, dass er testamentarisch zum Vormund seines Teenager-Neffen Patrick bestimmt ist. Jetzt muss er einen jungen Menschen trösten, obwohl er hier doch selbst auf Schritt und Tritt an die große Tragödie erinnert wird, die ihm jegliche Lebensfreude raubt.
Das an der amerikanischen Ostküste angesiedelte Drama handelt von Familie, Verantwortung, Schuld und menschlichem Versagen. Der Film legt, im Gegensatz zum Hollywood-Mainstream, viel Wert auf ungeschminkten Realismus. Die Leute hier tragen schwer an den Härten des Lebens und seinen Schicksalsschlägen. Aber die Brüder Lee und Joe waren stets füreinander da. Ein Film, der Diskussionen auslösen wird, über das Verhalten der Hauptfigur und wie es mit ihr wohl weitergeht.
Personal Shopper
Regie: Olivier Assayas, Verleih: Weltkino
Maureen (Kristen Stewart) lebt in Paris, wo sie für eine vielbeschäftigte, ständig abwesende Celebrity-Frau Mode einkauft. Ihr Zwillingsbruder starb kürzlich an einem Herzfehler, den sie auch hat. Und Maureen besitzt ebenfalls seine Fähigkeit, mit Geistern zu kommunizieren. Also wartet sie nachts in seinem verwaisten Haus auf ein Zeichen von ihm. Und siehe da, ein Gespenst erscheint.
Ein Film, der im Hier und Jetzt spielt und doch auch von Geistern handelt? Olivier Assayas bringt dieses Kunststück fertig, wie um zu demonstrieren, dass wir im eigenen Leben zu wenig präsent sind. Was verbindet den Job einer Einkleiderin mit der Tätigkeit eines Mediums? Maureen führt ein Schattendasein im Revier anderer Leute oder Seelen. Das kann ganz schön gefährlich werden. Nur dass der Grusel dann auch so manifest werden muss, das ist schon ziemlich schräg.
Die Hölle – Inferno
Regie: Stefan Ruzowitzky, Verleih: Splendid Film
Die junge Wiener Taxifahrerin Özge (Violetta Schurawlow) sieht nachts aus ihrem Fenster und entdeckt die bestialisch verstümmelte Leiche ihrer Nachbarin. Daneben, das Gesicht von der Dunkelheit verdeckt, steht der Mörder. Der Wiener Kommissar Christian Steiner (Tobias Moretti) und seine Leute lassen Özge nach einigen ruppigen Bemerkungen wieder allein und ohne Personenschutz. Gut, dass Özge eine gute Thaiboxerin ist, denn der Mörder wird ihr auflauern…
Stefan Ruzowitzky hat einen actionreichen, sehr düsteren Thriller inszeniert. Der Ton ist rau in der österreichischen Hauptstadt, den Migranten gegenüber oft diskriminierend. Doch die taffe Özge legt buchstäblich Wert darauf, sich durchzuschlagen. Ihre Einsamkeit verbindet sie mit Steiner. Dieses romantische Motiv führt wie ein warmes Licht durch die schaurige Geschichte. Sie ergibt einen für den Schauplatz Wien ungewöhnlich harten, aber auch stilvollen und mutigen Genrefilm.
Bianka Piringer
Fotoquelle(n): Universal Pictures, Weltkino Filmverleih, Splendid Film