Unter den Kinostarts der neuen Woche befinden sich auffallend viele Dokumentarfilme. Den Vogel aber dürfte ein grimmiger Horrorthriller abschießen.
„Hereditary – Das Vermächtnis“ sorgte schon bei seiner Uraufführung auf dem Sundance Filmfestival 2018 nachhaltig für Eindruck. Der Mystery-Gruselschocker kreist um eine Familie, die verzweifelt gegen das Böse kämpft, das sich in ihr einnistet. Ein weiterer sehenswerter Spielfilm dieser Woche ist „Die brillante Mademoiselle Neïla“ aus Frankreich. Darin geht es um eine Studentin mit arabischen Wurzeln, die von ihrem chauvinistischen Professor auf einen Rhetorikwettbewerb vorbereitet wird.
Aus England kommt das mäßig spannende Drama „Vom Ende einer Geschichte“ nach dem gleichnamigen Roman von Julian Barnes. Das Drama „Lost in the Living“ handelt von einem irischen Musiker in Berlin. Zwei amerikanische Komödien gehen ebenfalls an den Start. Da wäre die von der Kritik nicht gerade gelobte Rentnerkomödie „Das ist erst der Anfang“ und die romantische Gedächtnisverlust-Geschichte „Overboard“. Auch dieses Remake eines Hits von 1987 kann nicht wirklich empfohlen werden, mangelt es ihm doch an Tempo, Timing und Intelligenz.
Die fünf Dokumentarfilme, die an den Start gehen, befassen sich unter anderem mit Sternbeobachtung, der französischen Psychiatrie, einem alten Mann in Norddeutschland. In „Muhi – Generally Temporary“ geht es um einen palästinensischen Jungen, der lange Jahre in einem israelischen Krankenhaus behandelt werden muss. Wim Wenders porträtiert den Heiligen Vater als sympathischen, beseelten Vertreter der Armen und Beladenen in „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“.
Hereditary – Das Vermächtnis
Regie: Ari Aster, Verleih: Splendid Film
Annie (Toni Collette) und Steve (Gabriel Byrne) Graham leben mit ihren beiden Kindern in einem schönen, etwas abseits gelegenen Haus. Nach dem Tod der Großmutter, die bei ihnen wohnte, mehren sich unheimliche Vorfälle. Annie besucht eine Trauergruppe, weil sie um ihre Mutter nicht trauern kann und darüber reden will. Ihre eigene Tochter Charlie (Milly Shapiro) ist seit dem Tod der Großmutter regelrecht verstört. Annie drängt den älteren Sohn Peter (Alex Wolff), seine Schwester auf eine Party mitzunehmen. Und dann geschieht etwas Schreckliches, das die Familie in ihren Grundfesten erschüttert.
Der Debütfilm des Regisseurs Ari Aster geht unter die Haut. Nach und nach stellt sich heraus, dass der Feind, der diese Familie bedroht, ein Teil ihrer selbst ist. Die Charaktere wissen nie, wo er ist und was sie tun sollen. Toni Collette gibt eine starke Vorstellung als Mutter in Nöten. Vor allem Fans des Geister- und Dämonen-Subgenres werden in dieser wendungsreichen, unvorhersehbaren Geschichte auf ihre Kosten kommen.
Die brillante Mademoiselle Neïla
Regie: Yvan Attal, Verleih: Square One Entertainment
Die algerischstämmige Neïla (Camélia Jordana) hat aus der Pariser Banlieue den Sprung an die Universität geschafft. Weil die Jura-Studentin zu spät zur Vorlesung kommt, kanzelt Professor Pierre Mazard (Daniel Auteuil) die junge Frau mit rassistischen Bemerkungen ab. Im Internet macht das von Zeugen gedrehte Video die Runde und der Professor bekommt von den Vorgesetzten richtig Ärger. Um das Schlimmste abzuwenden, muss er zeigen, dass er auch über andere Seiten verfügt, und Neïla auf einen renommierten Rhetorik-Wettbewerb vorbereiten. Neïla ist gar nicht begeistert, aber sie merkt bald, dass der unfreundliche Kauz ihr einiges beibringen kann.
Diese französische Dramödie befasst sich unterhaltsam und engagiert mit der Frage, warum arabischstämmige Immigranten in Frankreich oft so schlecht integriert sind. Die in den Vororten von Paris aufgewachsenen Kinder der Immigranten schaffen es nur selten in akademische Berufe. Sie begegnen wie Neïla Vorurteilen, wegen ihrer Sprache und Wortwahl, ihrem Benehmen, sogar wegen der Wut, die die Ausgrenzung bei ihnen hervorruft. Wer zur Elite gehören will, muss sich anpassen und anstrengen – ein harter Weg besonders für Außenseiter wie Neïla. Sie bringt aber genügend Sturheit und Stolz mit, um dem Professor Paroli bieten zu können. Die konflikthafte Beziehung der beiden gibt der Geschichte eine schöne Spannung. Daniel Auteuil ist wieder einmal beeindruckend als Charakter mit Ecken und Kanten. Er ist sich auch nicht zu schade, Vorbehalte und Arroganz gegenüber Migranten auszudrücken, die es in der Gesellschaft gibt.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Splendid Film GmbH (2), Square One/ Universum