Die neuen Werke von Darren Aronofsky und Steven Soderbergh gehören sicherlich zu den filmischen Highlights dieser Woche. Aber es lohnt sich auch ein Blick auf einige weniger prominente Kinostarts.
Um gleich mit dem zu Unrecht oft vernachlässigten Dokumentarfilmsektor anzufangen – „Walk with Me“ ist ein sinnliches Erlebnis der Spitzenklasse. Der Film beobachtet den Alltag in einem zen-buddhistischen Kloster in Frankreich, in dem die Achtsamkeitsmeditation praktiziert wird. Wie sich das ungefähr anfühlt, bekommen die Zuschauer durch inspirierende Eindrücke in Bild und Ton mit. Der Dokumentarfilm „The End of Meat“ ist ebenfalls sehenswert, denn er befragt Aktivisten und Wissenschaftler nach ihren Vorstellungen über eine Zukunft, in der Tiere nicht mehr geschlachtet werden.
Bei den Spielfilmen ist das Thema Liebe stark vertreten. Darren Aronofsky setzt ihr in Gestalt der Titelfigur in „mother!“ ein puristisches Denkmal. In „Porto“ geht es um eine Frau und einen Mann, deren Wege sich in der portugiesischen Stadt kreuzen. Das Liebesdrama „Die Wunde“ spielt in Südafrika. Selbst in der deutschen Komödie „High Society“ über zwei junge Frauen, die als Babys vertauscht wurden, darf geflirtet werden. Ansonsten aber steht dort das knallige Spiel mit Klischees über Arm und Reich im Mittelpunkt. Eine weitere Komödie trägt den Titel „Wie die Mutter, so die Tochter“, kommt aus Frankreich und handelt von, genau, einer Mutter und ihrer Tochter, die beide gleichzeitig schwanger werden.
Die japanische Regisseurin Naomi Kawase legt mit „Radiance“ ein philosophisch-verträumtes Drama über Verlust, Trauer und das Sehen mit dem inneren Auge vor. Ihr Landsmann SABU hat den Thriller „Mr. Long“ inszeniert, in dem der Titelcharakter nicht nur ein Auftragsmörder ist, sondern auch ein guter Koch. „Wolf Warrior 2“ bietet Action aus China. Ebenfalls um Action, nämlich um einen minutiös geplanten Geldraub, geht es in Steven Soderberghs sehr witzigem „Logan Lucky“. Und last but not least wäre da noch „Das Löwenmädchen“, ein berührendes Drama aus Norwegen über ein Kind mit einer seltenen Körperanomalie.
Logan Lucky
Regie: Steven Soderbergh, Verleih: Studiocanal
Jimmy Logan (Channing Tatum) war in seiner Jugend ein vielversprechender Footballspieler in seiner Heimatregion. Doch nun hinkt er, verliert den gerade erst ergatterten Job und erfährt, dass seine Ex-Frau mit seiner kleinen Tochter in den benachbarten Bundesstaat umziehen will. Jimmy hat die Schnauze voll vom Verlieren und unterbreitet seinem Bruder Clyde (Adam Driver), der im Krieg war und eine Armprothese trägt, einen aberwitzigen Plan. Während eines Nascar-Autorennens will er sich unter dem Stadion Zugang zu dem vielen Geld verschaffen, das dort zusammenkommt. Dafür brauchen die Logans fachkundige Verstärkung in Gestalt des Gefängnisinsassen Joe Bang (Daniel Craig). Auch die pfiffige Logan-Schwester Mellie (Riley Keough) ist mit von der Partie.
Dass sich Steven Soderbergh auf spritzige Heist-Movies versteht, hat er bereits mit der „Ocean’s Eleven“-Reihe bewiesen. Und auch diese Ganoven-Komödie ist wieder perfekt getimt, voller Überraschungen und verfügt über sehr interessante Charaktere. Die meisten von ihnen sind Kleinstadt-Originale, die mit ihrer heimatlichen Provinz über Kreuz liegen und sie trotzdem lieben. Endlich mal wieder ein schwungvoller, gewitzter Film über Underdogs, die nicht unterschätzt werden sollten.
mother!
Regie: Darren Aronofsky, Verleih: Paramount Pictures
Ein Paar lebt scheinbar glücklich in einem Haus im Grünen. Sie (Jennifer Lawrence) renoviert es hingebungsvoll, damit er (Javier Bardem) es nach dem verheerenden Brand, der seine frühere Frau das Leben kostete, weiter bewohnen kann. Die Liebe und Fürsorge seiner neuen Partnerin soll den Schriftsteller auch in die Lage versetzen, wieder kreativ zu sein. Doch er sehnt sich nach der Gesellschaft fremder Leute, vor allem, wenn sie ihn als Künstler bewundern. Als ein Mann (Ed Harris) an die Tür klopft und ein Zimmer sucht, nimmt ihn der Schriftsteller samt seiner später erscheinenden Frau (Michelle Pfeiffer) bereitwillig auf. Für die perplexe Herrin des Hauses fangen schwere Zeiten an, die schließlich in einen Albtraum münden.
Böse Eindringlinge, die ihr geliebter Mann in ihr Leben lässt und die immer drängendere Frage, was sie selbst ihm eigentlich bedeutet, stoßen die junge Hauptfigur in einen regelrechten Horrortrip. Die Fantasie übernimmt bald Regie in dieser wild wabernden Allegorie über das weiblich-mütterliche Prinzip des Gebens und die männlich-schöpferische Kraft, die das Maß aller Dinge sein will. Es gibt viele Anspielungen auf biblische Geschichten und Motive. Eine Botschaft, pfleglicher mit Mutter Erde umzugehen, lässt sich ebenfalls herauslesen. Ob einen dieser ausgeflippt-archaische Film anspricht, ist jedoch Geschmackssache.
Das Löwenmädchen
Regie: Vibeke Idsøe, Verleih: NFP
Im Jahr 1912 wird in einer norwegischen Provinzstadt ein kleines Mädchen geboren. Die Mutter stirbt bei der Entbindung, ihr Vater Gustav (Rolf Lassgård), der das Amt des Bahnhofsvorstehers ausübt, lehnt das Kind ab. Denn die kleine Eva hat am ganzen Körper Haare, selbst im Gesicht. Der Vater versteckt sie im Haus, dabei möchte die hochintelligente Eva unter Leute und ganz viel lernen!
Das epische Drama basiert auf dem gleichnamigen Roman von Erik Fosnes Hansen und spielt in einer noch gar nicht so lang zurückliegenden Epoche, in der Menschen mit körperlichen Anomalien als Jahrmarktsattraktion galten. Sehr überzeugend und berührend wird herausgearbeitet, wie Eva die soziale Ausgrenzung erlebt und dagegen ankämpft. Diese ungewöhnliche, schön fotografierte Coming-of-Age-Geschichte gewinnt im Verlauf des langen Zeitraums von Evas Geburt bis zum Eintritt ins Erwachsenenleben sehr überzeugend an Tiefe und Glaubwürdigkeit.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Studiocanal, Paramount Pictures, NFP marketing & distribution