Die Kinostarts dieser Woche haben sowohl Filme für das Arthousepublikum als auch Popcorn-Unterhaltung im Programm. Der Berlinale-Gewinner “Körper und Seele“ gehört zwar eher zur ersten Kategorie, ist aber so gewitzt und originell, dass er nur allgemein empfohlen werden kann.
Aus Deutschland kommt eine schräge, frische Liebeskomödie mit dem Titel „Blind & Hässlich“. Auch dieser Film ist ein schönes Beispiel dafür, dass es viele aufregende Möglichkeiten gibt, Geschichten abseits des Mainstreams zu erzählen. Näher am Normalprogramm angesiedelt ist das amerikanische Vater-Tochter-Drama „Schloss aus Glas“ mit Woody Harrelson und Brie Larson.
Christian Clavier, der Hauptdarsteller aus „Monsieur Claude und seine Töchter“, ist in der französischen Culture-Clash-Komödie „Hereinspaziert!“ zu sehen. Naomi Watts spielt in „The Book of Henry“ die Mutter eines hochbegabten Jungen, der früh stirbt und ihr den Auftrag hinterlässt, einen Mord zu begehen. Ebenfalls mit prominenten Darstellern – Channing Tatum, Colin Firth, Halle Berry, Julianne Moore – kann die Agentenkomödie „Kingsman – The Golden Circle“ (siehe hierzu den separaten AGM-Beitrag) aufwarten. Richard Gere spielt in dem unkonventionellen, melancholischen Drama „Norman“ einen einsamen Charakter, der unbedingt Geschäfte für die Mächtigen und Reichen vermitteln will. Für Kinder und Jugendliche gibt es den Animationsfilm „The Lego Ninjago Movie“ und das deutsche Jugenddrama „Amelie rennt“.
Körper und Seele
Regie: Ildikó Enyedi, Verleih: Alamode Film
Endre (Géza Morcsányi) leitet einen Schlachthof in Budapest, der eine neue Qualitätskontrolleurin namens Maria (Alexandra Borbély) bekommt. Maria nimmt keinen Kontakt zu den Kollegen auf und beanstandet auch minimalste Qualitätsprobleme penibel. Endre fühlt sich zu Maria hingezogen und will mit ihr ins Gespräch kommen, aber es gelingt ihm nicht recht. Nach einem Diebstahl werden die Mitarbeiter von einer Psychologin befragt, die helfen soll, den Täter zu finden. Bei diesen Befragungen stellt sich heraus, dass Endre und Maria in der Nacht denselben Traum hatten und sich darin als Hirsch und Hirschkuh im Wald begegneten.
Wie wichtig ein gutes Drehbuch ist, lässt sich an diesem ungarischen Film, der den Goldenen Bären der Berlinale 2017 gewann, wunderbar studieren. Auf die Idee, dass sich zwei Menschen, die kaum Kontakt miteinander haben, nachts in Gestalt von Tieren im Traum begegnen, muss man erst einmal kommen. So nimmt eine wunderbare, zarte Romanze ihren Lauf, in der zwei scheue, in sich gekehrte Menschen allmählich aus sich herausgehen. Das läuft nicht ohne dramatische Komplikationen ab, die diesen stillen Film sehr spannend machen.
Blind & Hässlich
Regie: Tom Lass, Verleih: daredo media/Darling Berlin
Kurz vor dem Abitur haut Jona (Naomi Achternbusch) von zu Hause ab und nimmt sich ein Zimmer im Wohnheim ihrer blinden Cousine Cécile. Allerdings muss sie sich dafür als blind ausgeben. Als sie mit Céciles Blindenhund in der Stadt unterwegs ist, trifft sie auf Ferdi (Tom Lass), der sich gerade von einer Brücke stürzen will. Ferdi hat psychische Probleme, vor allem weiß er nicht, wie er Frauen ansprechen soll. Er glaubt, zu hässlich für die Liebe zu sein, aber da ihn Jona ja angeblich nicht sehen kann, schöpft er Hoffnung.
Diese schräge romantische Komödie setzt auf leichtfüßigen Humor, aber sie schlägt auch ernste Töne an. Denn Jona und Ferdi entwickeln sich zu einem Liebespaar, dem eine gewaltige Lüge im Weg steht. Das Besondere an dieser Geschichte und ihrer Inszenierung aber ist, dass sie nicht nur emotionalen Kitsch vermeidet, sondern auch alltäglichen Situationen mit satirischem Dialogwitz eine völlig neue Wendung gibt.
Schloss aus Glas
Regie: Destin Daniel Cretton, Verleih: Studiocanal
Jeannette Walls (Brie Larson) arbeitet als Journalistin in New York und ist mit dem gut verdienenden Finanzmanager David (Max Greenfield) liiert. Auf der Straße sieht sie ein obdachloses Paar und erkennt in ihm ihre Eltern Rex (Woody Harrelson) und Rose Mary (Naomi Watts) wieder. Eigentlich hatte Jeanette mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen, doch nun suchen sie Erinnerungen an ihre Kindheit heim. Ständig waren die Eltern mit ihren Kindern auf Achse – weil sich Rex mit jedem und auch mit dem Gesetz anlegte. Die kleine Jeannette liebte ihren Vater heiß und innig, weil er immer so optimistisch blieb und ihren geistigen Horizont erweiterte. Doch dann erkannte die Heranwachsende, was ihr die Eltern schuldig blieben.
Dieses Drama basiert auf der Autobiografie von Jeannette Walls über ihre schwierige Kindheit. Der Film schildert minutiös, wie schlimm es aus der Sicht eines Mädchens sein kann, mit Eltern aufzuwachsen, die mit der Gesellschaft nichts am Hut haben. Woody Harrelson glänzt in der Rolle des egomanen Familienvaters Rex, der immer den Ton vorgeben muss und zum Alkoholiker wird. Naomi Watts spielt die verpeilte Mutter glaubhaft als unbeschwerte Mädchenfrau. Besonders ergreifend stellt Ella Anderson die junge Jeannette dar, die sich auf einer permanenten Gefühls-Achterbahn befindet. Das Drama bewegt ohne Frage, aber es wirkt auch etwas langatmig und am Ende sentimental.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Alamode Film, Darling Berlin, Studiocanal