In dieser Woche beherrschen, abgesehen vom Blockbuster „Alien: Covenant“, Dokumentarfilme die Kinostarts. Wobei es schon eine ungewöhnliche Häufung ist, wenn von zehn Filmen, die neu ins Kino kommen, sieben nichtfiktional sind.
Das Spektrum ist in diesem dokumentarischen Bereich breit gestreut. Es reicht von Politik und Zeitgeschehen in „National Bird“, „6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage – Die Morde des NSU“ und „Borderland Blues“ bis zu Schule, bildender Kunst, Musik und Sport. Der deutsche Dokumentarfilm „You’ll Never Walk Alone“ erzählt, wie das gleichnamige Musical-Lied zur Fußballhymne wurde. Im fiktionalen Bereich sind die Alternativen zu Ridley Scotts Weltraumschocker dünn gesät. „Jahrhundertfrauen“ erinnert daran, wie komplex die Rolle und das Selbstverständnis der Frauen im Laufe vergangener Jahrzehnte geworden sind. Und das stilistisch anspruchsvolle Thriller-Drama „Nocturama“ handelt von Jugendlichen, die in Paris Anschläge verüben.
Alien: Covenant
Regie: Ridley Scott, Verleih: Twentieth Century Fox
Im Jahr 2104 befindet sich das Raumschiff Covenant auf dem Weg zu einem Planeten, der besiedelt werden soll. Die Fahrt der 2000 Kolonisten und über 1000 Embryonen wird noch etwas länger als sieben Jahre dauern. Doch dann erreicht ein Signal das Schiff, das von einem Planeten ganz in der Nähe stammt. Die Crew entscheidet kurzerhand, dorthin zu fahren. Doch die Späher, die auf dem Planeten landen, entdecken zu ihrem Entsetzen, dass er von schrecklich gefräßigen Kreaturen bewohnt wird. Hier strandete vor einiger Zeit das Raumschiff Prometheus, von dessen Besatzung nur David (Michael Fassbender) übriggeblieben ist. Der Android sieht genauso aus wie sein jüngerer Bruder Walter von der Covenant.
Der Regisseur des ersten „Alien“-Films von 1979, Ridley Scott, kehrt zurück in dieses Sci-Fi-Universum mit einer Geschichte, die an sein „Alien“-Prequel „Prometheus – Dunkle Zeichen“ von 2012 anknüpft. Michael Fassbender ist mit seiner Doppelrolle der Androiden David und Walter der Star dieses Horrorfilms. Der Android kann der beste Freund des Menschen sein, aber man weiß nie, was wirklich in seinem Kopf vorgeht. Dafür ist gesichert, dass es grausige Monsterattacken geben wird, die regelmäßig das Nachdenken über die Zukunft der Menschheit stören. Wer im All unterwegs ist, sollte eben nicht vom Kurs abweichen.
Jahrhundertfrauen
Regie: Mike Mills, Verleih: Splendid Film
Dorothea (Annette Bening) lebt als alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn Jamie (Lucas Jade Zumann) in Kalifornien. Es ist das Jahr 1979 und Dorothea versteht langsam die Welt nicht mehr. Im Gegensatz zur Musik der Flower-Power-Ära ist ihr die moderne Punkmusik fremd, ihr pubertierender Sohn geht auf Distanz und sie fühlt sich alt. Sie bittet ihre Mieterin, die junge Fotografin Abbie (Greta Gerwig), Jamie dabei zu helfen, ein Mann zu werden. Auch an Jamies Freundin Julie (Elle Fanning) richtet sie diese Bitte. Jamie bekommt auf einmal eine geballte Ladung Aufklärungs- und Feminismusunterricht, aber das ist ihm ganz recht.
Der irreführende Titel dieses sonnig-nostalgischen Dramas hat seine Berechtigung nur insofern, als Dorothea, Abbie und Julie drei Frauen aus verschiedenen Generationen sind. So stehen sie mehr oder weniger exemplarisch für die Herausforderungen, die Frauen in den westlichen Gesellschaften der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu meistern hatten. Sexuelle Revolution, Emanzipation, berufliche Selbstverwirklichung, Mutterschaft nach der Scheidung sind nur einige der vielen Themen dieses Films, der aber im Grunde von der Vergänglichkeit des Glücks handelt. Im Zentrum steht zwar Jamie, aber die Stars sind die drei Darstellerinnen, die der kopflastigen und dennoch humorvollen Geschichte milden Glanz verleihen.
You’ll Never Walk Alone
Regie: André Schäfer, Verleih: Mindjazz Pictures
In diesem Dokumentarfilm begibt sich der Schauspieler und Borussia-Dortmund-Fan Joachim Król auf die Suche nach der Herkunft der Fußballhymne „You’ll Never Walk Alone“. Er fährt unter anderem nach Wien, Budapest, New York, Liverpool und Dortmund, um mit Künstlern, Sportlern und weiteren Zeitzeugen zu sprechen.
Vom Theaterstück „Liliom“, das der ungarische Dramaturg Ferenc Molnár 1909 herausbrachte, bis zum Fangesang im Stadion des FC Liverpool ist es ein weiter Weg. Doch der Dokumentarfilm schlägt diese Brücke über ein ganzes Jahrhundert von Kunst, Popkultur und Sport sehr unterhaltsam. Er nimmt sich Zeit für Begegnungen und Gespräche am Rande und zeigt dabei, dass die globale Popkultur mit ihren Moden und Hits die seltsamsten Haken schlagen kann. Das macht diesen gelungenen Film nicht nur für Fußballfans interessant.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Twentieth Century Fox, Splendid Film, Mindjazz Pictures