Hayao Miyazaki oder Isao Takahata bei der Arbeit zusehen, das hat sich bestimmt jeder Studio Ghibli-Fan schon einmal gewünscht. Die Doku Studio Ghibli – The Kingdom of Dreams and Madness kann euch diesen Traum nun erfüllen. Die Dokumentarfilmerin Mami Sunada hatte die Ehre, die beiden Ghibli-Masterminds bei den Arbeiten an ihren möglicherweise letzten Filmen zu begleiten. Ist das Studio selbst also ein so magischer Ort wie die Filme uns denken lassen, oder auch nur eine Trickfilmschmiede wie jede andere?
Ein Arbeitsplatz zwischen Himmel und Hölle
Irgendwo hat es schon etwas Magisches, Miyazaki bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Unermüdlich sitzt er am Zeichenbrett und schwingt den Bleistift bis jedes Detail sitzt und die Bilder das ausdrücken, was vor seinem geistigen Auge schon zu existieren scheint. Sunada versucht aber nicht die Arbeit im Studio zur Idylle zu verklären, The Kingdom of Dreams and Madness gibt auch kritischen Stimmen Raum.
In Interviews mit den hauseigenen Animatoren wird deutlich, dass es eine anstrengende und frustrierende Angelegenheit sein kann, mit Perfektionisten wie Miyazaki zusammen zu arbeiten und einer spricht gar die Empfehlung aus, man solle sich diesem nicht zu sehr nähern, wenn man noch ein eigenes Leben führen möchte. Wenn man dann sieht wie Miyazaki selbst an seinen eigenen Ansprüchen verzweifelt, weil er ein Flugzeug einfach nicht seinen Erwartungen entsprechend aufs Papier bekommt, stellt man sich die Frage, wie man diesem Mann überhaupt gerecht werden soll.
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Vielleicht war es auch die Sorge den eigenen Ansprüchen nicht mehr zu genügen, die Miyazaki im Verlauf der Dokumentation dazu treiben den Hut an den Nagel zu hängen und erneut seinen Ruhestand anzukündigen. Ob er diesmal auch durchhält steht in den Sternen, denn einerseits zeigt der Film, dass Miyazaki durchaus genug hat, und nach einer sehr arbeitsreichen Karriere die letzten Jahre mit seiner Familie verbringen will. Andererseits scheinen da noch einige Projektideen in seinem Kopf herumzuschwirren und der Gedanke, diese zu verwerfen, scheint dem Workaholic ebenfalls zu missfallen.
Der unsichtbare Dritte
Neben der Arbeit an “Wie der Wind sich hebt” zeigt der Film aber auch viele Archivaufnahmen, die den Werdegang Miyazaki und Takahatas sowie die Anfangsjahre des Studios zeigen. Alles unterlegt mit Anekdoten von Miyazaki selbst, aber auch vielen Anmerkungen von Ghiblis Stammproduzent Toshio Suzuki.
Letzterer schwingt sich fast schon zum heimlichen Protagonisten der Dokumentation auf, wenn er dem Zuseher genauestens die Produktionsabläufe im Studio erklärt, ihn mit zu Pressekonferenzen und Testscreenings nimmt und als langjähriger Freund von Miyazaki und Takahata die nötige Außenperspektive auf das Werk der beiden und deren Beziehung zueinander liefert. Ach ja, Takahata, was treibt der eigentlich so?
Die meiste Zeit durch Abwesenheit glänzen. Tatsächlich bekommt man diesen in der Doku kaum zu Gesicht und so wird es dritten überlassen den Filmemacher zu charakterisieren. Dabei kommen nicht nur Suzuki und Miyazaki zu Wort, wir lernen auch Yoshiaki Nishimura kennen, den Produzenten von “Die Legende der Prinzessin Kaguya”, der sich in der wenig beneidenswerten Position wiederfindet mit einer Legende zusammenarbeiten zu dürfen, von der man munkelt, sie habe die Deadline der Produktion bereits mit dem eigenen Ableben verknüpft.
Diese Erzählweise funktioniert erstaunlich gut, denn Miyazaki und Suzuki reden natürlich auf Augenhöhe von ihrem Freund und ziehen auch gerne mal etwas vom Leder, während man Nishimura deutlich anmerkt, dass ihn die Arbeit mit Takahata zwar frustriert, er diesen aber zu sehr bewundert um ihn direkt zu kritisieren. Dennoch hätte es durchaus ein bisschen mehr Screentime für Takahata selbst geben dürfen, denn dessen Meinung über Miyazakis Werk und Arbeitsweise und die Zukunft des Studios wäre sicherlich ziemlich interessant.
Fazit: Studio Ghibli – The Kingdom of Dreams and Madness
Mami Sunada hat es mit ihrer Doku geschafft die Atmosphäre im Studio in Bilder zu packen, die selbst aus einem Studio Ghibli-Film stammen könnten, aber authentisch genug wirken, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen hier wurde etwas für die Kamera inszeniert. So lauscht man den Weisheiten von Miyazaki, sieht der Studio-Katze beim Herumstreunen zu und wundert sich manchmal, wie es diese Ansammlung verschrobener Herren geschafft hat jemals einen fertigen Film zu produzieren.
Dank der tiefgehenden Einblicke in die Studioarbeit und den Produktionsprozess ist The Kingdom of Dreams and Madness aber nicht nur für Studio Ghibli-Fans ein Muss, sondern wird auch Menschen mit einem allgemeinen Interesse für die Animationsbrache unterhalten. Egal wie man vor dem Film zu Ghibli steht: Spätestens wenn der Abspann über den Bildschirm läuft, hofft man dann doch, dass dieser alte Mann sich das mit dem Ruhestand nochmal überlegt. Er wird fehlen.
Benjamin Wilhelm
Bildquelle(n): Universum Film GmbH