Neben den Versionen für PS4 und Xbox One gibt es L.A. Noire nun auch für die Switch – mit Bewegungssteuerung und einem kurzsichtigen Hauptcharakter.
Früher bahnbrechend, heute immer noch gut
2011: das Jahr von „Skyrim“, „Batman: Arkham City“, „Battlefield 3“, „Portal 2“ und L.A. Noire. Gut, Letzteres mag vielleicht nicht zu den absoluten Toptiteln jenes Jahrgangs zählen. Das Krimi-Adventure des australischen Entwicklers Team Bondi hat schon seine Schwächen und spielt längst nicht auf dem Niveau anderer Titel von Rockstar Games, die von dem „GTA“-Entwickler selber produziert wurden. Doch L.A. Noire war damals trotzdem ein besonderes Spiel. Das lag in erster Linie an den unfassbar realistischen Gesichtsanimationen, die auch heute noch sehr gut aussehen. Mittlerweile gibt es aber Spiele wie „Uncharted 4“, deren Protagonisten ähnlich gut lächeln oder heulen können. Und mit „The Last of Us: Part 2“ sowie „Detroit: Become Human“ sind schon die nächsten Titel mit extrem realistischen Gesichtsregungen in der Pipeline.
Doch L.A. Noire hat noch mehr als nur seine Technik zu bieten – auch heute noch. Es ist die Atmosphäre, die Darstellung des Los Angeles der Vierzigerjahre, die Musik, die dieses Detektivspiel auch heute noch zu einem tollen Erlebnis macht. Und das gilt natürlich auch für die Switch-Version. Sie erbt im Prinzip alle Stärken und Schwächen, die L.A. Noire schon auf den anderen Konsolen und dem PC hat. Denn inhaltlich erwartet euch hier eben das gleiche Spiel wie auf den anderen Plattformen.
Ihr bekommt eine locker 20 Stunden lange Krimigeschichte serviert, wobei die eigentliche Haupthandlung erst recht spät Fahrt aufnimmt. L.A. Noire besteht aus mehreren einzelnen Fällen, die anfangs nichts miteinander zu tun haben. Sie dienen im Prinzip nur dazu, damit Hauptcharakter Cole Phelps die Karriereleiter beim LAPD hochklettern kann. Dennoch ist die Story eine der Stärken des Spiels. Das liegt zum einen an den wunderbar umgesetzten Charakteren, an den toll geschriebenen Dialogen und eben auch an den einzelnen Fällen, die immer wieder Überraschungen bereithalten. Wer auf Detektivgeschichten steht, ist mit L.A . Noire wunderbar bedient.
„Good Cop“ oder „Bad Cop“?
Spielerisch jedoch ist es ein eher seichtes Erlebnis. Die Tatortuntersuchungen sind nicht gerade anspruchsvoll und auch das Lösen der Fälle erfordert keine knallharte Hirnarbeit von euch. Einer der Kernaspekte des Gameplays sind die Verhöre, in denen ihr Zeugen und Verdächtigen Fragen stellt und anhand eurer Indizien herausfinden müsst, ob sie euch die Wahrheit sagen oder eiskalt ins Gesicht lügen.
Hier gibt es auf der Switch (wie auch auf PS4 und Xbox One) eine kleine Änderung: Die drei Gesprächsoptionen „Wahrheit“, „Anzweifeln“ und „Lüge“ wurden in „Guter Cop“, „Böser Cop“ und „Beschuldigen“ umbenannt. Dadurch soll klarer werden, was Phelps sagen wird, nachdem ihr eine der drei Möglichkeiten gewählt habt. Denn wer die Aussagen von Charakteren in der alten Version auf PC, PS3 und Xbox 360 oft angezweifelt hat, bekam den Eindruck, Phelps wäre ein psychopathisches Arschloch, das unschuldige Frauen sofort in den Knast schmeißen will, weil er glaubt, dass sie ihm etwas verheimlichen. Da passt die Bezeichnung als böser Cop dann doch besser, weil ihr so eher erahnen könnt, welchen Ton der Protagonist als nächstes anschlägt.
Ansonsten bleibt aber alles beim Alten. L.A. Noire lebt auch auf der Switch mehr von seiner Inszenierung und den einzelnen Geschichten als seiner Spielmechanik, die auf Dauer doch sehr eintönig wirkt. Immer wieder gibt es zwar Verfolgungsjagden (zu Fuß oder per Auto) und Schießereien, jedoch wurde beides in anderen Spielen tausendfach besser umgesetzt. Widmen wir uns daher der Technik, die auf der Switch annehmbar ausfällt. Das mag jetzt erst mal negativer klingen, als es eigentlich ist. L.A. Noire läuft sowohl im Handheld-Modus als auch auf dem Fernseher mit fast durchgehend 30 FPS und die Grafik macht alles in allem einen guten Eindruck. Natürlich kann sie nicht mit dem mithalten, was ihr auf PC und den anderen beiden aktuellen Konsolen zu sehen bekommt, aber das erwartet auch niemand von der Switch.
Brille vergessen?
Was mich jedoch sehr stark stört: Der Cole Phelps, den ihr auf der Nintendo-Konsole spielt, ist ganz schön kurzsichtig. Soll heißen: Es gibt extrem viele Pop-ups. Und ich meine damit nicht Objekte oder Personen, die in 50 Metern Entfernung sind – eher die, die zehn Meter vor einem stehen. Das mag vielleicht nur während der Autofahrten so sehr auffallen, doch in L.A. Noire fahrt ihr nun mal sehr viel Auto, sofern ihr nicht die Schnellreisefunktion benutzt. Mich persönlich stört dieser technische Makel sehr, aber ich kann verstehen, dass andere Leute kein so großes Problem damit haben. Und hey: Besser so, als wenn das Spiel die ganze Zeit ruckeln würde.
Bei der Switch ist natürlich auch noch die Bewegungssteuerung als exklusives Feature interessant. Wer L.A. Noire mit den beiden Joy-Cons ohne Halterung spielt, kann die Kamera oder Objekte, die ihr untersucht, per Bewegung des rechten Controllers steuern. In den Schießereien ist jedoch nur ein wenig Nachjustieren möglich. Bei Schlägereien könnt ihr den rechten Joy-Con schwingen, um zuzuschlagen, und auch per Armbewegung ausweichen. All das ist natürlich rein optional und das ist gut so. Denn für mich ist die Bewegungssteuerung nicht mehr als ein Gimmick, das mich an alte Wii-Zeiten erinnert. Sich L.A. Noire nur aufgrund dieses Features für die Switch zu kaufen, lohnt sich überhaupt nicht.
Fazit – L.A. Noire
Die Switch-Portierung hätte sicherlich noch besser sein können. Mich stören die Pop-ups eben doch sehr und die Bewegungssteuerung ist nichts, was ich in der Form gebraucht hätte. Davon abgesehen läuft die Version aber ganz rund und hat natürlich den Vorteil, dass ihr damit unterwegs auf Verbrecherjagd gehen könnt. Wer genau darauf aus ist, kann ruhig zugreifen. Falls ihr L.A. Noire aber noch nie gespielt haben solltet, euch der Mobile-Aspekt egal ist, ihr mindestens eine andere aktuelle Plattform habt und einfach nur das bestmögliche Spielerlebnis wollt, empfehle ich euch den Griff zur Variante für PS4, Xbox One oder PC. Aber auf welchem System auch immer ihr es spielen würdet: Wenn ihr einen Krimi zum Selberspielen sucht, ist L.A. Noire eine gute Wahl. Ich mag das Spiel nach wie vor, trotz seiner Schwächen. Und wer weiß: Vielleicht macht ja Rockstar selbst irgendwann doch noch eine Fortsetzung. Ich fänd’s toll!
Bildquelle: Rockstar Games