Die Liste der Kinostarts ist in dieser Woche beachtlich, um nicht zu sagen, schon fast entmutigend. Denn es fällt bei dieser Anzahl schwer, überhaupt noch eine grobe Vorauswahl zu treffen, welcher Film den Kinobesuch lohnen könnte.
Ein lustiger Animationsfilm geht eigentlich immer, vorausgesetzt, er ist weder komplett überdreht, noch schlecht getimt. „Sherlock Gnomes“, das Sequel zu „Gnomeo und Julia“ aus dem Jahr 2011, hat von der Kritik allerdings nur mäßiges Lob erhalten. Filme des deutschen Regisseurs Oskar Roehler haben meistens das gewisse Etwas, sind provokant und halten der Gesellschaft einen Spiegel vor. Sein neues Werk „HERRliche Zeiten“ ist also auch einen Blick wert.
Über Menschen im Ausnahmezustand geht es nicht nur im Katastrophenfilm „No Way Out – Gegen die Flammen“. An ein anderes wahres Ereignis, die Entführung eines Passagierflugzeugs durch palästinensische und deutsche Terroristen im Jahr 1976, erinnert der Thriller „7 Tage in Entebbe“. Auch das Psychiatrie-Drama „Eleanor und Colette“ basiert auf einer wahren Geschichte. Und in ihrem in einem Berliner Kiez angesiedelten Krimidrama „Familiye“ schildern die beiden Debütregisseure Kubilay Sarikaya und Sedat Kirtan ein Milieu, in dem sie aufgewachsen sind.
Der Filmverleih eksystent distribution veranstaltet zum zweiten Mal seine Filmtour „Femmes totales“ und präsentiert fünf preisgekrönte Filme von Regisseurinnen, die es sonst nicht in die deutschen Kinos geschafft hätten. Zu ihnen zählen „Bonjour Paris“, „Träum weiter“, „Das unmögliche Bild“, „Speak Up“, „Tage am Meer“.
HERRliche Zeiten
Regie: Oskar Roehler, Verleih: Concorde Filmverleih
Der Schönheitschirurg Claus (Oliver Masucci) und seine Frau, die Gartenarchitektin Evi (Katja Riemann), brauchen eine neue Putzfrau für ihre Villa. Claus schaltet in angeheitertem Zustand eine Annonce, in der er für diesen Job Sklaven sucht. Der Interessent Bartos (Samuel Finzi) überredet Claus, ihn zu nehmen. Er bringt als Butler eine ungewohnte Vornehmheit ins Haus, besteht aber darauf, dass Claus ihm seine Befehle erteilt. Evi sieht beunruhigt, wie sich ihr Mann verändert. Als Bartos die bulgarischen Schwarzarbeiter, die im Garten einen Pool anlegen, eines Diebstahls bezichtigt, verliert Claus die Kontrolle über die Situation.
Oskar Roehlers bissige Gesellschaftssatire basiert auf dem Roman „Subs“ von Thor Kunkel. Weil der Schriftsteller Wahlkampfwerbung für die AfD machte, steht seine umstrittene Person in vielen Kritiken mehr im Zentrum als der Film selbst. Das ist schade, denn Roehler kitzelt die Machtgelüste seiner Filmcharaktere, die arrivierte Wohlstandsbürger sind, auf witzige Weise und mit einigem Wiedererkennungswert hervor. Oliver Masucci ist eine Schau als viriler Biedermann und Gernegroß Claus. Er verleiht dem Charakter eine spannende Authentizität. Aber auch Katja Riemann überzeugt als dessen nur scheinbar schwache Frau. Leider droht die Geschichte in zwei Teile zu zerfallen, als dann noch ein arabischer Nachbar auftaucht, der sich aufs Foltern versteht.
Eleanor & Colette
Regie: Bille August, Verleih: Warner Bros.
Die Amerikanerin Eleanor Riese (Helena Bonham Carter) befindet sich in den 1980er Jahren wiederholt in psychiatrischen Klinken. Immer wieder bekommt die an Schizophrenie Erkrankte dort gegen ihren Willen Medikamente mit schweren Nebenwirkungen verabreicht. Sie ruft die Anwältin Colette Hughes (Hilary Swank) an, die sich für Patientenrechte einsetzt. Colette holt Eleanor aus der Klinik heraus und zieht mit ihr vor Gericht. Auch Psychiatriepatienten sollen das Recht erhalten, über ihre Behandlung mitzubestimmen.
Der dänische Regisseur Bille August hat diesen Meilenstein in der Geschichte amerikanischer Patientenrechte zu einem spannenden Gerichtsdrama verfilmt. Die Freundschaft der beiden ungleichen Frauen Eleanor und Colette versorgt den Film mit viel Gefühl. Hilary Swank und Helena Bonham Carter überzeugen als schauspielerisches Duo.
Bonjour Paris
Regie: Léonor Serraille, Verleih: eksystent distribution
Paula (Laetitia Dosch) ist nach längerem Mexiko-Aufenthalt zurück in Paris. Aber ihr Lebensgefährte hat sie vor die Tür gesetzt und nun irrt Paula nervlich angeschlagen durch die Stadt. Sie hat nichts, außer die Katze im Arm, die ihrem Ex gehört. Über mehrere Stationen kommt sie schließlich in einem winzigen Dienstmädchenzimmer unter. Dafür muss sie die Tochter der Vermieterin hüten. Paula bewirbt sich auch für Jobs im Kaufhaus. Doch statt ihren Ex zu vergessen, muss sie ihn immer wieder anrufen. Ihre Lage bleibt prekär.
Das Regiedebüt der Französin Léonor Serraille ist ein kantiges Drama über eine junge Frau, die auf der Straße landet. Es zeigt, dass Paris aus der Perspektive einer Gestrandeten sehr kalt sein kann. Aber die Hauptfigur Paula ist ein Phänomen: Sie will sich nicht unterkriegen lassen und findet auch im größten Chaos spaßige Momente. Sie kann ausgeflippt sein, verzweifelt, spontan, verspielt. Laetitia Dosch mutiert in dieser Rolle zur Seele des Films, der authentisch und kraftvoll wirkt.
Bianka Piringer
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